Gesellschaftskritik

Panoramafreiheit: Ein Knöllchen fürs Urlaubsfoto?

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Die Panoramafreiheit ist in Gefahr -zukünftig könnte es für harmlose Urlaubsbilder eine Abmahnung oder gar Geldbusse geben, wenn darauf eine Sehenswürdigkeit, ein Gebäude oder Bauwerk zu sehen ist. Über den Wahnsinn europäischer Politik -und wie man sich dagegen wehren kann.

Wir alle wissen (oder ahnen) inzwischen, das nichts Gutes aus Brüssel kommt. Nun ist das Fass wieder einmal voll. Wir alle fragen uns, ob der eine oder andere Politiker wohl auf Drogen ist (und falls ja, auf welchen). Nur so können wir uns erklären, was diese Menschen zu oft nicht mehr rational nachvollziehbaren Gesetzesentwürfen drängt.

Ein Schnappschuss vom Eiffelturm, Fotos vorm Münchner Stadion oder das Selfie vor Schloss Neuschwanstein -solche Bilder auf Twitter oder Facebook mit anderen zu teilen, könnte bald strafbar sein, wenn es nach dem Willen einiger EU-Abgeordneter geht. Bisher gilt in den meisten europäischen Ländern, bis auf einige wenige Ausnahmen, die sogenannte Panoramafreiheit. Diese schränkt das Urheberrecht an Gebäuden und öffentlichen Kunstwerken insoweit ein, das man sie fotografieren darf, sofern man sie von öffentlich zugänglichen Verkehrswegen aus sehen kann. Das macht Sinn -denn wer möchte schon den Architekten eines Bauwerks erst um Erlaubnis bitten müssen, wenn er ein Selfie von sich knipst, auf dem in Hintergrund ein bestimmtes Gebäude zu sehen ist.

Anfangs war eigentlich alles gut gemeint

Die Panoramafreiheit erlaubt es also, Abbildungen öffentlicher Gebäude oder Skulpturen frei zu verwenden. In einigen Ländern benötigt man für solche Veröffentlichungen eine Lizenz der Architektin oder des Bildhauers, in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EU herrscht dagegen die Panoramafreiheit, die es jedem Menschen erlaubt, Fotos, Dokumentarfilme oder andere Werke frei zu verbreiten, die den öffentlichen Raum abbilden.

Genau dieses Recht steht nun auf der Kippe. Wie kommt das? Wer ist der Schuldige? Merken Sie sich einen Namen: Jean-Marie Cavada.

Anfangs war eigentlich alles gut gemeint. Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei, wollte die Panoramafreiheit auch in andere EU-Länder bringen. Doch der Schuss ging nach hinter los. Im Entwurf ihres Berichts wies sie darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Lizenz für solche Alltäglichkeiten wie das Teilen von Urlaubsfotos in sozialen Netzwerken nicht mehr zeitgemäß ist und die Panoramafreiheit deshalb in der gesamten EU gelten soll.

„Die Mitglieder des Rechtsausschusses haben diese Forderung leider in ihr Gegenteil verkehrt“, schreibt sie auf ihrer Website, „indem sie den restriktivsten aller Änderungsanträge zur Panoramafreiheit angenommen haben. Dieser Änderungsantrag stammt aus der Feder eines Mitglieds der Fraktion der Liberalen im Europaparlament, Jean-Marie Cavada“.

Freiheit für unsere Bilder

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Panoramafreiheit in Europa

Diese Karte zeigt, in welchen Ländern bisher die Panoramafreiheit gilt. In den grün unterlegten Mitgliedstaaten gilt Panoramafreiheit (hellgrün: nur für Gebäude), gelb unterlegte Länder erlauben die Veröffentlichung von Abbildungen öffentlicher Werke nur zu nichtkommerziellen Zwecken und in rot unterlegten Ländern gibt es überhaupt keine Panoramafreiheit.

Julia Reda’s ursprünglicher Vorschlag war die Einführung der Panoramafreiheit in der gesamten EU. Damit wären alle Länder auf der Karte grün unterlegt. Der Änderungsantrag von Jean-Marie Cavada würde bedeuten, dass alle grün unterlegten Länder gelb oder rot würden. Seinem Vorschlag zufolge müssten alle Panoramafreiheitsgesetze, die bislang auch die kommerzielle Nutzung von Abbildungen öffentlicher Werke erlauben, auf die nichtkommerzielle Nutzung eingeschränkt oder komplett abgeschafft werden.

Auf der nächsten Seite: Wie betrifft mich das persönlich? Und was kann ich konkret tun?

Was geht mich das an?

Oberflächlich gesehen scheint die Einschränkung der Panoramafreiheit nur ein Problem für Berufsfotografen und Unternehmen zu sein, die mit dem Verkauf von Bildern öffentlicher Gebäude Geld verdienen wollen. Aber das ist es nicht:

Wer ein Urlaubsfoto auf sein Facebookprofil lädt, verdient damit kein Geld. Aber er stimmt damit den Nutzungsbedingungen von Facebook zu, in denen steht, dass man Facebook das Recht zur kommerziellen Nutzung seiner Bilder einräumt (Abschnitt 9.1 der Facebook-Nutzungsbedingungen) und dass man alle nötigen Rechte an dem Bild besitzt, um diese kommerzielle Nutzung durch Facebook zu erlauben (Abschnitt 5.1).

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Wird man Bauwerke auf seinen Fotos künftig schwärzen müssen?

Im Alltag bedeutet das dann, das man für jedes seiner Urlaubsfotos prüfen müsste, ob es ein Gebäude oder öffentliches Kunstwerk zeigt, ob dieses Werk urheberrechtlich geschützt ist (das heißt, ob der Architekt oder die Künstlerin vor mehr als 70 Jahren gestorben ist) und wer heutzutage die Rechte an diesem Werk besitzt. Dann müsste man mit dem Rechteinhaber oder der verantwortlichen Verwertungsgesellschaft einen Lizenzvertrag abschließen, der die kommerzielle Nutzung des Bilds durch Facebook ausdrücklich erlaubt, bevor man es bei Facebook hochladen darf.

Das gleiche gilt für andere soziale Netzwerke oder kommerzielle Fotoplattformen, die ihre Nutzungsbedingungen für gewöhnlich so gestalten, dass sie vor Haftung geschützt sind. Auch wenn man seine Bilder nicht bei Twitter und Facebook, sondern nur auf seiner privaten Website präsentiert, kann das bereits als gewerblich gelten, wenn auf der Website Werbebanner geschaltet sind.

Eine Einschränkung der Panoramafreiheit auf nichtkommerzielle Nutzungen würde also Millionen von Europäerinnen und Europäerin in Konflikt mit dem Urheberrecht bringen, wenn sie ihre völlig harmlosen, alltäglichen Gewohnheiten im Umgang mit Urlaubsfotos nicht fundamental ändern.

Was kann ich tun?

Wer sich gegen die Versklavung seiner Bilder und Videos wehren möchte, kann sich an der Online Petition zur Rettung der Panoramafreiheit beteiligen, die betreffenden Abgeordneten persönlich kontaktieren oder Jean-Marie Cavada selbst fragen, wie er auf diese unglaubliche Schnappsidee gekommen ist. Ausführlichere Informationen findet ihr auch auf der Website der EU-Abgeordneten Julia Reda oder der Initiative Pro Panoramafreiheit -für das Recht auf freie Photographie.

Update vom 09.07. 2015
Das EU-Parlament lehnte heute in Straßburg eine Einschränkung der sogenannten Panoramafreiheit ab. Die Parlamentarier stimmten mit überwältigender Mehrheit gegen eine dahingehende Erweiterung des Urheberrechts. Nach dem heutigen Abstimmungsergebnis sind für Deutschland und die meisten Staaten in der EU weiterhin Aufnahmen öffentlicher Gebäude und Kunstwerke erlaubt, auch wenn sie für kommerzielle Produkte hergestellt werden. In Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, und Griechenland gilt aber weiterhin keine Panoramafreiheit. So bedürfen kommerzielle Aufnahmen der Nachtbeleuchtung des Eiffelturms in Paris weiterhin einer Zustimmung. Der Beschluss des Parlaments zur Reform des Urheberrechts ist noch nicht bindend. Der eigentliche Vorschlag für ein neues Gesetz (EU-Richtlinie) kommt im Herbst von der EU-Kommission.

Quellen: Wikipedia, Julia Reda, FAZ

Seltsam? Aber so steht es hier geschrieben... Ihr habt Fragen, Anregungen oder vielleicht sogar eine völlig andere Meinung zu diesem Artikel? Dann postet einen Kommentar.

Mike vom Mars Blog - mike-vom-mars.comAutor: Mike vom Mars
Mike emigrierte vor einigen Jahren von seinem Heimatplaneten auf die Erde, um das Leben am wohl seltsamsten Ort des Universums zu studieren. Seiner Bitte "bringt mich zu eurem Führer" wurde bisher nicht entsprochen.

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