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Long-COVID: Es kann jeden treffen

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Eva ist 25 Jahre alt, sportlich, keine Vorerkrankungen. Ihre Corona-Erkrankung verlief mild – doch fünf Monate später begann das Leiden: Luftnot, Husten, Müdigkeit. Die 25-Jährige hat das Long-Covid-Syndrom. Kein Einzelfall.

Anfang April 2020 infizierte sie sich mit dem Coronavirus. Sie erholte sich zu Hause, ohne stationäre Behandlung. Nach zwei Wochen Quarantäne ist sie wieder zur Arbeit im Kinderheim gegangen. Im Herbst, also fünf Monate später, bekam sie Atemnot beim Treppensteigen, konnte sich schlecht konzentrieren, fühlte sich schlapp. Ihr Hausarzt verwies sie zunächst an einen Lungenarzt, dann weiter an einen Kardiologen und an einen Neurologen. Die Nachuntersuchungen zeigten: Sie hatte eine Herzmuskelentzündung, ihr linker Lungenflügel war immer noch stark angegriffen. Das es gerade sie sie als jungen, sportlichen Menschen so hart erwischt, hätte sie nie gedacht.

Im Mai 2020 war Jonas im Skiurlaub. Er und einige seiner Freunde infizierten sich dort mit Corona, doch während die anderen nach 14 tagen symptomfrei waren, blieben bei Jonas Geruch und Geschmack weg – bis heute, über ein Jahr nach der Infektion. Jeden Morgen geht er zum Kühlschrank und hofft, wieder etwas zu schmecken, aber vergeblich. Mittlerweile hat er sich mit dem Verlust seines Geruchs- und Geschmacksinns abgefunden.

Bis zu sechs Monate nach einer Corona-Erkrankung

Müdigkeit, Herz- und Konzentrationsprobleme, Luftnot, Husten

Beide leiden an einem Post-Covid-Syndrom. Kein Einzelfall, wie man mittlerweile weiss. So bezeichnen Wissenschaftler Symptome, die auch drei oder mehr Monate nach der akuten Erkrankung noch festgestellt werden oder überhaupt erst auftauchen. Das macht die Krankheit so schwer greifbar. Bei manchen Patienten flammen sechs Monate nach ihrer Akuterkrankung solche Beschwerden auf, dass sie sogar stationär behandelt werden müssen.

Zu Post-Covid-Symptomen zählen primär chronische Müdigkeit, Herz- und Konzentrationsprobleme, Luftnot und Husten. Im englischen Sprachraum hat sich der Begriff „Long Covid“ durchgesetzt, deutschsprachige Wissenschaftler reden von „Post Covid“. Forscher stützen sich unter anderem auf eine Studie aus dem chinesischen Wuhan, wo sich das Virus zuerst verbreitet haben soll. Drei von vier Patienten gaben an, auch sechs Monate nach ihrer Entlassung aus der Klinik weiterhin Beschwerden zu haben.

Wie viele Corona-Erkrankte in Deutschland von dem Post-Covid-Syndrom betroffen sind, ist unklar, Experten gehen mittlerweile davon aus, das jeder Dritte „genesene“ Corona-erkrankte unter Langzeitfolgen leidet. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) sind die Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, derzeit noch nicht abschätzbar. Offen ist auch noch die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine permanente Schädigung droht. Spätfolgen der Erkrankung werden zudem laut RKI nicht regulär im Meldesystem erfasst. Somit gelten Betroffene statistisch meist als genesen.

Auch Herz, Niere, Gehirn, Gefäße könnten betroffen sein

Auch Herz, Niere, Gehirn, Gefäße könnten betroffen sein.

Hinzu kommt, dass sich Post-Covid-Betroffene ihrer Spätfolgen oft nicht bewusst sind, da das Bewusstsein in der Bevölkerung für Langzeitfolgen noch sehr gering ist. Man sehe jedoch die Notwendigkeit für eine Nachbeobachtung und beobachte die Studien- und Datenlage kontinuierlich, erklärte eine RKI-Sprecherin kürzlich dem ARD-faktenfinder. Es werde derzeit diskutiert, bei künftigen bevölkerungsbezogenen RKI-Studien auch die Langzeitfolgen zu untersuchen. Aktuell würden zudem Nachbeobachtungen im Rahmen zweier Projekte des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin erfolgen.

Während der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 hätten sich die Mediziner vor allem auf die Lungenprobleme der Corona-Patienten konzentriert, erklärt Mediziner Koczulla. Mittlerweile ist bekannt, dass man viel breiter diagnostizieren muss. Auch Herz, Niere, Gehirn, Gefäße könnten betroffen sein. Vor allem Fatigue, also chronische Müdigkeit, sei ein prominentes Symptom in internationalen Studien. Nachkontrollen über einen längeren Zeitraum seien nun wichtig, um chronische Folgen zu vermeiden.

Mittlerweile gibt es eine Facebook-Gruppe, in der sich Betroffene des Post-Covid-Syndroms zusammengeschlossen haben und austauschen. Rund 60 Prozent von ihnen sind nach Angaben der Initiative jünger als 45 Jahre. Mehr als 2.000 Betroffene haben sich bisher dort gemeldet, täglich kämen zehn bis 20 hinzu, so die Initiative. 45 Prozent der Langzeitbetroffenen könnten nicht mehr Vollzeit arbeiten, rund 22 Prozent seien komplett arbeitsunfähig. Auf einer Website informiert die Gruppe über Erfahrungen mit Diagnosen, Reha-Einrichtungen und bereits laufenden Forschungen.

Weltweit gelten 137 Millionen Menschen als „Covid-19 genesene“. Würde jeder Dritte von ihnen ein Post-Covid-Syndrom entwickeln, hiesse das, das mehr als 45 Millionen Menschen zukünftig an diesen Symptomen leiden würden. Allein in Deutschland wären dann über 300.000 Menschen betroffen. Kommt damit nun nach der eigentlichen Pandemie eine neue Epidemie von Long-Covid-Erkrankten auf uns zu? Noch schlimmer ist, das viele Krankenkassen Post-Covid-Symptome noch immer nicht als direkte Folgen einer Corona-Erkrankung anerkennen.

Auf der nächsten Seite: Es trifft vor allem jüngere und Frauen.

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