Der Handschlag bzw. das Händeschütteln gilt in unserer Kultur als Zeichen der Höflichkeit. Andere mit Grippe und fiesen Keimen anzustecken, eher nicht. Dabei ist doch beides das gleiche. Hand aufs Herz: weisst du, wo die Hand deines Gegenübers heute schon überall war? Wahrscheinlich willst du es gar nicht wissen…
Händeschütteln: vor allem Lehrer sind süchtig danach.
Die Lehrerin der Kurt-Tucholsky-Schule in Hamburg hatte es gut gemeint. Sie wollte ihrem Schüler zur bestandenen mündlichen Abi-Prüfung gratulieren und ihm die Hand geben. Doch der muslimische Abiturient verweigerte der Pädagogin aus religiösen Gründen den Handschlag. Dies wollten einige Lehrer der Schule nicht hinnehmen. Eine Pädagogin forderte die Schulleiterin dazu auf, den Jugendlichen von der Abifeier auszuschließen. Lüdtke lehnte dies ab, sie akzeptierte die Entscheidung des Schülers. Daraufhin boykottierten einige Lehrer den Abiball, sieben von 13 Pädagogen blieben der Feier fern.
In der Schweiz hat die Schulbehörde mittlerweile entschieden, dass Schüler unter Androhung von Geldstrafen zum Handschlag verpflichtet seien. Dort hatten sich zwei Schüler geweigert, ihrer Lehrerin die Hand zu geben.
So viel Krawall wegen Pfotensex?
Allein diese Beispiele – ob nun religiös motiviert, oder nicht – zeigen, wie ernst man hierzulande noch das Händeschütteln nimmt. Tradition wird anscheinend nicht nur bei den Taliban in Afghanistan noch ernst genommen, sondern auch im modernsten Land Europas.
Doch anscheinend sind Ärzte vernünftiger (und reinlicher) als Lehrer: Im Kampf gegen Keime geht das Klinikum Erlabrunn (bei Schwarzenberg) ungewöhnliche Wege: Als erste Klinik in Sachsen empfiehlt es seinen Ärzten, Schwestern und Pflegern ein Handschlagverbot. Statt mit Handschlag begrüßt man sich dort nur noch mit einem schlichten „Guten Tag“. Das Händeschütteln wurde quasi abgeschafft – aus hygienischen Gründen.
Mittelalterliche Tradition
Keime werden überwiegend über die Hände übertragen – im Krankenhaus sogar zu etwa 90 Prozent.
Das Händeschütteln ist ein in vielen westlichen Ländern gängiges nonverbales Begrüßungs- und Verabschiedungsritual. In anderen Kulturen ist es hingegen traditionell unüblich oder auf gleichgeschlechtliche Kontakte – insbesondere unter Männern – beschränkt. Ebenso wie viele andere Begrüßungszeremonien wird es normalerweise mit der rechten Hand ausgeführt. Die Hände umfassen sich dabei für einige Sekunden und werden oft rhythmisch auf und ab bewegt. Fehlt diese Bewegung, wird mitunter auch vom Händedruck gesprochen.
Doch nicht alles, was sich “Tradition” nennt, muss auch Sinn ergeben. So wenig Sinn es macht, sich im Namen Allahs in die Luft zu sprengen, so sinnlos ist in der heutigen Zeit eigentlich auch das Händeschütteln. Schliesslich müssen wir unserem Gegenüber nicht mehr, wie im Mittelalter üblich, beweisen, das wir keine Stichwaffe mit uns führen und friedlicher Absicht sind.
Nach einer 2007 publizierten Übersichtsstudie scheint das Händeschütteln, neben dem gemeinsamen Kontakt von Menschen mit Oberflächen wie etwa Türklinken, der wichtigste Übertragungsweg für Infektionen wie Erkältungen oder auch Magen-Darm-Erkrankungen zu sein.
Das Infektionsrisiko wird durch den Umstand erhöht, dass Menschen, ohne sich dessen bewusst zu sein, sehr häufig mit den Händen Mund, Nase und/oder Augen berühren. Auf diese Weise können Krankheitserreger von einer Person auf die andere übertragen werden. Tatsächlich neigen wir dazu, uns bis zu 500 mal am Tag unbewusst ins Gesicht zu fassen. Das erleichtert es Keimen, über die Augen oder die Schleimhäute in den Körper zu dringen.
Keime werden überwiegend über die Hände übertragen – im Krankenhaus sogar zu etwa 90 Prozent. Bakterien und Viren finden sich auf vielen Dingen, die wir im Alltag anfassen: am Einkaufswagen, auf dem Smartphone, dem Geldautomaten, im Bus oder in der U-Bahn. Die Hände brauchen wir auch zum Naseputzen, um unser Gesäss nach dem Stuhlgang zu reinigen, uns an unseren Geschlechtsteilen zu kratzen – und zwischendurch immer wieder zur Begrüßung.
Klingt nicht nur eklig. Ist es auch.
Hände verkeimter als der Darm!
Forscher haben eine bakterielle Landkarte der Körperoberfläche erstellt. Die meisten Bakterien siedeln nicht im Darm, sondern auf dem Zeigefinger.
Die größte Artenvielfalt der bakteriellen Bewohner im menschlichen Körper findet sich nicht etwa im Darm oder in der Mundhöhle, sondern auf dem Zeigefinger, in der Kniekehle und am Unterarm.
Das zeigt eine Art Landkarte des menschlichen Körpers, in der US-Forscher die Zusammensetzung und die Vielfalt der bakteriellen Siedler in gesunden Erwachsenen erfasst haben. Fazit der Wissenschaftler: Zwar hat jeder Mensch seinen individuellen Bakterienzoo am und im Körper. Die Mikrobengruppen, die auf der Stirn, in der Achselhöhle oder am Bauch hausen, ähneln sich jedoch. Ihre Zusammensetzung hängt vor allem von den Bedingungen der jeweiligen Körperregion ab, weniger vom unterschiedlichen Menschen.
Bis zu 10 Millionen Bakterien leben im Schnitt auf einem Quadratzentimeter menschlicher Haut. Amerikanische Forscher haben über 4.700 Bakterienarten identifiziert, die die Handinnenflächen besiedeln. Demnach trägt jeder Mensch bis zu 150 verschiedene Arten auf seinen Händen. Die Zusammensetzung dieser Bakteriengemeinschaften unterscheidet sich allerdings erheblich von Mensch zu Mensch, ja sogar von Hand zu Hand: 83% der Bakterien auf der Hand eines Menschen kommen nicht auf seiner anderen Hand vor. Linkshänder weisen dabei eine deutlich größere Vielfalt an Bakterien auf ihrer linken als auf ihrer rechten Hand auf, bei Rechtshändern ist es genau umgekehrt.
Alternativen zum Pfotensex
Dein Chef wird erstaunt sein, wie weitsichtig du bist – und froh, eine Menge Geld einzusparen.
Gibt es auch Alternativen zum “Pfotensex”, also dem Reiben wildfremder, meist ungewaschener Hände aneinander? Sicher, die gibt es: ein freundliches “Guten Tag”, zusammen mit einem netten Lächeln und einem sportlichen Kopfnicken. Wer sehr höflich und respektvoll sein möchte, kann auch leicht den Oberkörper dazu beugen – quasi eine angedeutete Verneigung. Die Hände aber bleiben “am Mann”.
In den allermeisten Fällen genügt das.
Und wenn man es doch einmal mit einem Traditions-Taliban zu tun hat, der partout nicht auf Pfotensex verzichten möchte? Dann ist Pädagogik gefragt. Denn schliesslich sind jene menschlichen Fossilien daran schuld, das sich jedes Jahr aufs neue die Grippewelle verbreitet. Es gilt sie also zu erziehen und auf das neue Jahrtausend vorzubereiten.
Seinem Chef zum Beispiel kann man bei dieser Gelegenheit – freundlich natürlich – folgendes erklären: “Wussten Sie schon, das zwei Drittel aller Krankschreibungen in der Firma durch Händeschütteln verursacht werden?” Dein Chef wird erstaunt sein, wie weitsichtig du bist – und froh, durch den Verzicht auf das Pfotenreiben in der Firma eine Menge Geld einzusparen.
Wie man sich richtig die Pfoten wäscht
Um Ansteckungen zu vermeiden, empfehlen die Forscher eine gute Handhygiene, deren zentraler Teil das gründliche Händewaschen mit Seife sei. Um einen keimreduzierenden Effekt zu erzielen, muss man die Hände gründlich waschen.
Zum einen ist dabei die Zeit ein wichtiger Faktor – etwa 30 Sekunden, bei starker Verschmutzung auch mehr – sowie das gründliche Einreiben der Fingerkuppen, Nagelbetten und Fingerzwischenräume mit Seife. Dort finden wir in der Regel die höchsten Keimzahlen.
Menschen, die einem erhöhten Erkrankungsrisiko ausgesetzt sind (chronisch Kranke oder Patienten mit einem nicht voll funktionsfähigen Immunsystem), könnten in der Wintersaison vom Gebrauch von Händedesinfektionsmitteln profitieren. Da die typischen grippalen Infekte zu einem großen Anteil über die Luft übertragen werden, gehören zur Vermeidung solcher Infekte auch Husten- und Niesetikette – also etwa in die Armbeuge zu niesen, statt die Hand vor den Mund zu halten – sowie Menschenansammlungen zu meiden. Bei den vor allem im Herbst und Frühjahr auftretenden Wellen an Magen-Darm-Erkrankungen ist der Einsatz von Handdesinfektionsmittel im Fall einer Erkrankung für den Patienten in dieser Zeit zu überlegen.
Natürlich hält der Effekt des gründlichen Händewaschens nur so lange, bis man eben nach der nächsten Türklinke, einem Geldschein, einer Münze, dem Handy oder der gemeinsam genutzten Bürotastatur (würg!) greift – oder sie beim Niesen als Rotzfänger vor den Mund hält. Also: besser auf das Pfotenreiben verzichten.
Dem Kampf gegen das völlig unnötige Händeschütteln in unserer Kultur hat sich übrigens auch die Initiative no-hands.de verschrieben, wo man viele interessante Fakten, aber auch Studien und Beispiele zu diesem Thema findet.