Ist Selbsdisziplin gleich Verzicht?
Im Prinzip ja. Wer Selbstdisziplin übt, verzichtet erst einmal auf etwas. Auf Ablenkung, auf den leckeren Bienenstich, die Pizza, auf die Party am Wochenende, auf das schöne Belohnungsgefühl, das sich einstellt, wenn man wieder einmal Geld für irgendetwas völlig sinnloses ausgibt, das man eigentlich gar nicht braucht.
Der Trick der Selbstdisziplin ist aber so einfach wie genial:
Verzichte auf kleinere Dinge, um dafür etwas grösseres zu gewinnen!
Und genau daran scheitern die meisten leider schon. Weil kleinere Ziele einfach schneller zu erreichen sind, als grosse. Die meisten Menschen haben sich deshalb daran gewöhnt, sich auf die schnelle, kurzfristige, wenn auch kleine Belohnung zu fokussieren, anstatt mit etwas mehr Durchhaltevermögen und Geduld an die grosse Belohnung zu kommen.
Das liegt daran, das die meisten von uns noch wie Kinder denken: wenn du etwas sofort haben kannst, nimm es dir. Wir alle kennen den Werbespot, in dem man einigen Kindern im Alter von fünf bis sieben Jahren ein Ãœberraschungsei in die Hand gibt und ihnen sagt “wenn du es schaffst, es nicht auszupacken, bekommst du dafür zwei”. Dieser Werbespot geht auf ein bekanntes psychologisches Experiment zurück, auf Walter Mischels “Marshmallow Test”. Hier zeigte sich, das Kinder sich meist auf die unmittelbare Belohnung fokussieren, nicht auf das langfristige Ziel.
Aber Mischels “Marshmallow Test” zeigte auch noch etwas viel wichtigeres: das es selbst unter Kindern doch einige gibt, die die nötige Selbstbeherrschung aufbringen, der Süssigkeit anfangs zu widerstehen (auch wenn es viel Ãœberwindung kostet), um dann schliesslich mit der doppelten Ration belohnt zu werden.
Mischel hat sein Experiment nie wieder losgelassen und so wurde eine Langzeitstudie daraus, in der er den späteren Werdegang seiner “Versuchskinder” über fünfzig Jahre lang verfolgt hat. So zeigte sich, das genau diese Gruppe von selbstbeherrschten Kindern im späteren Leben erfolgreicher wurde, als jene, die sich für die schnelle Belohung entschieden. Solche Kinder zeigen auch weniger häufig Konzentrationsschwächen und das “Zappelphillipp-Syndrom”, sind selbstbewusster und gefestigter. Und: Disziplin, so zeigte sich, ist wichtiger als der IQ.
Kann man Selbstdisziplin lernen?
Selbstdisziplin bzw. Selbstbeherrschung ist ein Muskel. Sie kann trainiert werden. Und dieses Training ist so simpel, das man es mit einem einzigen Wort beschreiben kann:
Bedürfnisaufschub.
Wie bei jedem Training fängt auch hier alles im Kleinen an: wenn du durstig bist, warte noch ein wenig mit dem Trinken. Wenn du hungrig bist, iss nicht sofort, sondern später. Wenn dir nach einem Gläschen Wein ist, verzichte heute einfach darauf. Je öfter man diese Dinge übt, desto schneller wächst die eigene Willenskraft. Mit jedem kleinen Verzicht steigerst du deine Selbstbeherrschung.
Das Prinzip ist immer das gleiche: tue genau das Gegenteil von dem, was dir leichter, einfacher oder bequemer erscheint. Oder zwinge dich einfach, ein Weilchen mit der Erfüllung eines Wunsches zu warten. Wenn das irgendwann Teil deines Alltags geworden ist und du es schon praktizierst, ohne noch darüber nachzudenken, bist du bereit für die nächste Stufe: suche dir einige Dinge aus, von denen du weisst, das es dir wirklich schwer fällt, darauf zu verzichten. Die Zigarette nach dem Essen, das Haus ohne Wasserflasche zu verlassen, auf die Mittagspause zu verzichten, mal ohne Frühstück in die Arbeit zu gehen.
Wenn all dies fester Bestandteil deines Lebens geworden ist, wirst du nach einigen Wochen eine seltsame Veränderung feststellen: wenn du vorher ein Ja-Sager warst, wird es dir weniger schwer fallen, andere auch mal abzuweisen. Du wirst bemerken, das du dir mehr Zeit für wichtige Dinge nimmst, sie lieber zum Ende bringst, anstatt dich gleich wieder anderen Dingen zu widmen. Und im Grossen und Ganzen wird sich in deinem Leben so mehr und mehr Erfolg einstellen. Dinge scheinen auf einmal zu funktionieren.
Das liegt nicht am Schicksal oder an günstigen Sternkonstellationen -es liegt einfach nur daran, das du nicht mehr so schnell aufgibst. Und das du dich besser auf deine Ziele fokussierst, als vorher.
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