Gleich und gleich gesellt sich gern
Damals glaubte man noch an das grosse Versprechen der sozialen Netzwerke: Menschen zusammen zu bringen, welchen sozialen Schichten, Ländern oder Religionen sie auch immer angehören. Dieses allzu optimistische Experiment gilt mittlerweile als gescheitert. Erstens bleiben Gruppen des realen Lebens im Allgemeinen auch bei Facebook & Co. unter sich -im Gegenteil, man findet dort mehr Gleichgesinnte und ebenso durchgeknallte, als man es jemals im echten Leben könnte.
Man gründet eine Facebook Gruppe und bestätigt sich dort einfach gegenseitig.
Warum also sollte man sich ändern und beispielsweise an seinen etwas zu fanatischen politischen oder religiösen Überzeugungen arbeiten? Schliesslich gibt es in der grossen Masse der online User immer einige, die genau so drauf sind, wie man selbst. So wird das eigene Extrem wieder zur Normalität verklärt.
Man gründet eine Facebook Gruppe und bestätigt sich dort einfach gegenseitig in seinen extremen Überzeugungen, ob diese sich nun auf Mode, Hobby, sexuelle Präferenzen oder das Verhätscheln von Tieren beziehen. Während uns das reale Leben dort draussen mit vielen verschiedenen Menschen zusammen bringt und uns damit regelrecht zwingt, Kompromisse einzugehen und unser eigenes Verhalten zu reflektieren, suchen wir uns in der virtuellen Welt der sozialen Netzwerke einfach die Leute, die (scheinbar) zu uns passen. Problem gelöst, keine Anpassung mehr nötig.
So finden sich Menschen mit den selben problematischen sexuellen Referenzen zusammen, verbünden sich jene, die den selben Lehrer hassen, reiht man sich ein in den aktuellen Shitstorm gegen eine bestimmte Person. Veganer findet Veganer und Fleischliebhaber andere Fleischliebhaber. Von einer homogenen Vermischung all dieser Gruppen kann keine Rede sein und über Kurz oder Lang verlieren wir so unsere Fähigkeit, uns an gänzlich verschiedene Menschen anzupassen. Wir werden noch extremer.
Studie beweist: Facebook erzeugt eine Neidspirale
Die Humboldt-Universität zu Berlin hat in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Anstrengung mit der Technischen Universität Darmstadt herausgefunden, was viele schon lange ahnten: das Facebook neidisch, depressiv und unzufrieden machen kann. 600 Facebook-NutzerInnen mussten herhalten und wurden nach ihren Gefühlen gefragt. Während sie in dem sozialen Netzwerk herumsurften, und in der Zeit danach.
Das Ergebnis: über ein Drittel der Befragten empfand vornehmlich negative Gefühle wie Frustration. Als wesentlichen Grund dafür machten die ForscherInnen „Neid“ auf die „Facebook-Freunde“ aus. Die vielen Postings der andern über Partys, Urlaubsreisen, Bandauftritte, Buchveröffentlichungen und Babys in Wort und Bild schlagen offenbar aufs Gemüt. Der soziale Vergleich, der zu Neid führt, werde begünstigt durch den Zugang zu vielen positiven Nachrichten und Profilen, die man im Offline-Bereich in dieser Menge gar nicht zu sehen bekomme, erklärte die Projektleiterin Hanna Krasnova.
Die Zufriedenheit sinkt, wenn man auf Facebook eifersüchtig ist auf die Erfolge der anderen.
Vor allem wer in sozialen Netzwerken selbst kaum aktiv kommuniziert, sondern sich das tolle Leben der anderen eher passiv reinzieht, wird von schmerzvollen Emotionen gepeinigt, stellten die ForscherInnen fest. Der Neid führt dann häufig dazu, dass die oder der Geplagte auch zu einer noch „ausgeprägteren Selbstpräsentation“ greift und seinerseits mit weltläufigen Kommentaren und schönen Bildern auftrumpft – was umgehend eine „Neidspirale“ auf Facebook in Gang setze.
Nicht ganz überraschend gibt es einen Zusammenhang zwischen Neid auf Facebook und der allgemeinen Lebenszufriedenheit der Nutzer. Die Zufriedenheit nämlich sinkt, wenn man auf Facebook eifersüchtig ist auf die Erfolge der anderen. „Angesichts der weltweiten Nutzung von Facebook und der Tatsache, dass Neid eine universelle Emotion ist, sind sehr viele Menschen von diesen Auswirkungen betroffen“, verkündete Koautorin Helena Wenninger von der TU Darmstadt.
Was versteht man unter „Facebook-Stress“?
Die Medien stressen uns und wir kommen immer schwerer zur Ruhe. Ständig haben wir das Gefühl, etwas zu verpassen. Es könnte jemand etwas geposted, kommentiert oder geliked haben. Zusätzlichen Druck erzeugen die Facebook-Spiele. Sie beginnen meist kostenlos, werden dann kniffliger und nur bewältigbar, wenn die Jugendlichen entweder Geld bezahlen oder neue Freunde finden. Man könnte das als unmoralisch bezeichnen. Genau wie die Benachrichtigung, dass irgendein Spieler einen im Spiel überholt hat, kommentiert mit den Worten “Willst du dir das gefallen lassen?”. Dann entscheiden nicht mehr die Spieler, sondern die Spiele selbst, wann gespielt werden soll.
Fazit
Nur wer es schafft, eine gesunde Distanz zu schaffen und sich kritisch zu hinterfragen, vermag in einem solchen Fall die Bremse ziehen. Von Kindern und den meisten jugendlichen kann man das z.B. keinesfalls erwarten. Das gelingt ja auch Erwachsenen nur selten.
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