Der Sachse scheint in ständiger Angst zu leben. Das Leben in Deutschland ist ja auch wirklich brutal. Der schlechte Zustand der Strassen. So wenig Kindergartenplätze. Das seichte Fernsehprogramm. Das Auto hat plötzlich einen Kratzer, wo vorher keiner war. Und manchmal ist sogar kein Bier mehr im Kühlschrank. Und dann kommen plötzlich ganz, ganz viele, fies aussehende fremde Menschen in dein Land, die nur deshalb die lange Reise über das Mittelmeer auf sich nehmen, damit sie deine Kinder entführen und deine übergewichtige Frau vergewaltigen können. Das Leben eines Ex-Zonies ist wirklich hart.
In der Mentalität jeden Landes zeigen sich die Gene seiner Vorfahren. Der Amerikaner zum Beispiel, hervorgegangen aus europäischen Einwanderern, die den Mief, die Enge und Bevormundung der Alten Welt so sehr überdrüssig waren, das sie die gefährliche Fahrt über den Atlantik und dann im Planwagen durch einen halben Kontinent auf sich nahmen, um unmenschliche Knochenarbeit auf sich zu nehmen, verehren noch heute die Einstellung, das nicht andere, sondern nur man selbst verantwortlich für den eigenen Erfolg ist. Das nennt man dort „den amerikanischen Traum“.
Veränderung wird grundsätzlich begrüsst, denn es könnte dadurch ja auch etwas besseres ins eigene Leben treten. Es ist das genetische Erbe jener, die damals den Mut hatten, dem europäischen Kontinent mit seinem tausende Jahre alten Mief den Rücken zu kehren, um die eigene Freiheit zu leben.
Und jene, die hier geblieben sind? Sie hatten nicht den Mut zu Freiheit und Veränderung. Sie lebten lieber weiterhin in Knechtschaft, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Nun, das waren also DEINE Vorfahren. Und deshalb sitzt du nun immer noch hier, im Land der preussischen Beamten, und hast, wie deine Vorfahren schon, immer noch Angst vor der grossen, weiten, bösen Welt.
Aber neben der ungünstigen genetischen Voraussetzung hast du noch ein weiteres Problem: deine Weltfremdheit. Nur wer die Fremde nicht kennt, hat Angst vor ihr. Damals in der DDR-Diktatur (und bitte bei all deiner Ostalgie nie vergessen: es WAR eine Diktatur, und nichts anderes!) durftest du nichts von der Welt dort draussen sehen.
Und heute willst du es nicht.
Reisen? Das ist nichts für dich. Und wenn, dann lieber dorthin, wo man bitte nur auf die eigene Sippe trifft. Der Balaton. Oder Mallorca vielleicht. Am liebsten aber Urlaub auf Balkonien oder im Hartz. Ist doch auch ganz nett. Und man weiss wenigstens, wo man ist.
Nach der Wende rüber in den Westen machen? Nein, auch das war nichts für dich. Wäre ja auch neu und fremd gewesen. Du wärst deines eigenen Glückes Schmied gewesen. Und du weisst ja: deine Gene lassen das nicht zu. Bleib auf deiner Scholle. Dort passiert dir nichts. Dort bist du in Sicherheit. Dort kannst du allen anderen die Schuld an allem geben.
Die Mentalität eines Volkes ist übrigens das Ergebnis seiner Geschichte. So stolz bist du auf deine „Deutsche Nation“. Was du allerdings nicht weisst (oder verdrängst): den Nationalstaat gibt es erst seit dem späten 19. Jahrhundert. Bis dahin war dieses Land nicht mehr, als ein ständig wechselnder Flickenteppich verschiedener Völker, Stämme und konkurrierender Sippen, die es in zweitausend Jahren nicht auf die Reihe bekamen, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen.
Vereint hat euch nur das Misstrauen gegenüber allem fremden.
Das grosse Misstrauen, das du dem Fremden gegenüber empfindest, stammt noch aus jener Zeit: so verfeindet waren die meisten Stämme, so viele gab es davon, das man ständig auf der Hut sein musste, um seine Familie (und sich selbst) vor Überfällen zu schützen.
Von der Lehmhütte zur Flurwoche
Während die meisten Hochkulturen und grossen Zivilisationen bereits prächtig blühten – Ägypten, Rom, China, Japan, Persien, Griechenland – trug der deutsche Ulf noch Zottelhaare und schlug seinem Nachbarn mit der Keule den Schädel ein. Und interessierte sich im besten Fall nur für seine eigene Sippe. Nur selten gelang es, all die konkurrierenden Stämme und Sippen zu vereinen. Ach ja: einem wackeren „deutschen“ Helden namens Arminius gelang es tatsächlich einmal -doch der wurde schon kurz nach dem triumphalen Sieg über Varus‘ Legionen wieder von seinen eigenen Landsmännern vergiftet. Sicher ist sicher. Ein gemeinsames Ziel? Teamgeist und Harmonie? Nee, bitte nicht. Wäre etwas neues. Und was man nicht kennt, ist grundsätzlich erst mal böse.
Eigenbrötelei, Abgrenzung und Ich-Denken waren schon immer fester Bestandteil der deutschen Seele.
So -du weisst nun, woher deine verflixte innere Angst gegen alles Fremde kommt, die sich oft genug sogar in Hass äussert. Es ist okay, Angst zu haben, mein Zonenfreund. Es zeigt ja nur, das die Welt gross ist -und du so klein. Und das du eine Vergangenheit voller Misstrauen hinter dir hast.
Problematisch wird es allerdings, wenn du vor lauter Angst und Panik gar nicht mehr begreifst, wie gut es dir heute geht. Das deine Angst eigentlich völlig surreal und unbegründet ist. Das du eigentlich nur gegen Windmühlen kämpfst und deine Kraft vergeudest, anstatt etwas sinnvolles mit deinem Leben anzufangen.
Und vor allem: das du vor nicht allzu langer Zeit selbst ein Fremder warst, der bittsuchend an unsere Türe klopfte – und herzlich in unserer Mitte aufgenommen wurde.
Es ist okay, neues in dein Leben zu lassen. Das Helle liegt immer vorn, in der Zukunft, nicht im dunklen Nebel der Vergangenheit. Guck also nach vorn und halte nicht immer am bewährten Mief fest. Schau nicht ständig nach hinten. Es ist völlig in Ordnung, Veränderungen zuzulassen. Du wirst nicht daran sterben. Versprochen.
Es könnte höchstens deinen Horizont erweitern.
Jammern heisst, das es einem gut geht
Wer Zeit zum Jammern hat, dem geht es gut. Wirklich. Vielleicht kennst du das gar nicht, aber wer täglich durch Blutlachen watet, sein eigenes, zerfetztes Kind in den Armen hält und in einer zerbombten Baracke lebt, die einmal sein liebevoll eingerichtetes Heim war, der jammert nicht.
Er versucht, zu überleben.
Die grössten Probleme deines Alltags, vor allem als auf seiner kleinen Scholle verbliebener Ossi, sind dagegen zu sehen, was heute auf dem Pornokanal läuft, ob das neue Call of Duty schon zu haben ist oder ob dein geliebter Fussballverein das nächste Turnier in die Tasche steckt. Und wie du dich das nächste mal wieder herausreden kannst, wenn das Jobcenter dir eine Arbeit aufdrücken will, anstatt dir dein Hartz IV weiterhin in den Hintern zu schieben, von dem du seit der Wende lebst.
Aber schuld an allem, was in deinem Leben schief läuft, sind natürlich die Politi…. nee, moment, das war ja letztes Jahr. Jetzt sind es die Flüchtlinge. Und wem gibst du morgen die Schuld dafür, das du es einfach nicht hinbekommst, ein harmonisches Leben in Frieden mit deinen Mitmenschen zu führen?
Nein. Ein Leben in Harmonie mit deiner Umgebung würde ja Schwäche demonstrieren. Und das darfst du als genetischer Erbe eines störrischen Zottelhaarkämpfers natürlich nicht zulassen. Du tust das, was deine Gene dir raten: brandschatzen. Ja, zünde fremde Hütten an! Hat doch auch damals, vor zweitausend Jahren immer recht gut funktioniert.
Du hast tatsächlich die Unverfrorenheit, über den erbärmlichen Zustand deines Landes zu jammern, wärend du zum Kühlschrank gehst und dir dein Lieblingsbier holst. Während im Wohnzimmer dein Plasma TV läuft und aus deinem Wasserhahn sauberes, warmes Wasser kommt. Deutscher Kevin, du hast keine Ahnung von der Welt. Du bist ein Kind des Wohlstands. Ein jammerndes Balg, dem nie wirklich schlimmes widerfahren ist. Das schlimmste in deinem Leben war gerade noch, das deine Eltern dir Namen wie „Maik“, „Kevin“, „Peggy“ oder „Cindy“ gaben – und das auch nur, weil das Leben bei euch damals in der Zone so beschissen war, das man wenigstens so von der grossen weiten Welt träumen konnte.
Nun lebst du im Paradies und gönnst es anderen nicht. Weil du verbittert bist. Weil das „Paradies“ von dir verlangt, das du dein Glück selbst in die Hand nimmst – und damit tatest du dir schon immer schwer, nicht wahr?
Du jammerst nur, weil dir lächeln weh tut.
Vielleicht solltest du doch mal auf Reisen gehen. Ein bisschen was von der grossen, weiten Welt sehen. Sehen, wie andere Menschen leben (oder besser: hausen). Das kalibriert den eigenen Kompass neu.
Vielleicht lernst du dein unzufriedenes Leben in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt dann wieder zu schätzen. Denn vergiss nie: du bist auch ein Flüchtling. Und du bist hier nur geduldet, so lange wir mit dir leben können. Ansonsten steht es dir frei, zu gehen. Die Welt ist gross.
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