Ein zweites Grabtuch?
Das Blut auf diesem Tuch stimmt mit dem auf dem Grabtuch von Turin überein.
Im Johannes Evangelium (20,6-7) heisst es: “Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. ”
Johannes schreibt also, das nicht nur das Grabtuch dort lag, sondern auch ein zweites Tuch, das den Kopf Jesu bedeckt hatte. Forscher gehen heute davon aus, daß die als Schweisstuch von Oviedo bekannte Reliquie das Tuch ist, mit dem das Haupt Jesu nach der Kreuzigung umwickelt wurde – das zweite Tuch, von dem im Evangelium also die Rede ist.
Diese Reliquie, auch Sudarium (von lateinisch sudore für “schwitzen”) genannt, liegt seit dem 8. Jahrhundert in einer Kirche in Oviedo in Nordspanien. Man weiss, das es zuvor in Jerusalem war. Und: das Blut auf diesem Tuch stimmt mit dem auf dem Grabtuch von Turin überein, wie Tests ergaben. Diese Tücher waren aus einfachem Stoff und wurden um die Armgelenke oder um den Nacken gewickelt. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein schmutziger, alter Lumpen. Aber die Flecken stammen von menschlichem Blut, vermischt mit einem Pleuraerguss, einer Flüssigkeit, die sich in der Lunge ansammelt, wenn ein Mensch erstickt.
Die Analyse des Schweisstuchs wurde von Forensik-Experten vorgenommen. Sie untersuchten es wie das Beweisstück eines Verbrechens: wie ist das Blut auf das Tuch gekommen? Was für ein Blut ist es? Wie sind die Flecken entstanden? Und wie ist die Person gestorben? Man sieht auf dem Tuch, das die Person, die darin eingewickelt war, einen Erstickungstod starb. Sie befand sich dabei in aufrechter Position, mit ausgestreckten Armen, vergleichbar mit einer Kreuzigung.Weitere forensische Untersuchungen haben gezeigt, das das Tuch um das Gesicht eines Mannes gehüllt wurde, etwa 45 Minuten, nachdem dieser verstorben war. Das passt zu den Darstellungen der Evangelien. Das Tuch blieb um den Kopf gehüllt, als sie seinen Körper mit dem Gesicht nach unten ins Grab trugen. Das Tuch wurde dabei mit einer Hand um Nase und Mund gehalten, wahrscheinlich um das Blut aufzuhalten. Nach jüdischem Glauben ist das Blut der Sitz der Seele. Es war also wichtig, den Körper mit seinem Blut zu bestatten.
Wenn man beide Tücher, das Sudarium und das Grabtuch von Turin übereinander legt, stimmen die Flecken auf beiden auf fast unheimliche Weise überein – und nicht nur in der Form, sondern auch in der Blutgruppe. Die ist AB – eine heute in Europa und der restlichen Welt seltene Blutgruppe.
Die Untersuchungen, die an beiden Tüchern gemacht wurden, kommen zu dem Ergebnis, das das Blut auf beiden Tüchern sehr wahrscheinlich zur selben Person gehört.
Das Erbgut Jesu
Die DNS auf dem Grabtuch gehört zu einem Menschen aus dem Nahen Osten.
Zurück zum Grabtuch: die Untersuchung der darauf gefundenen DNS hat einige erstaunliche Informationen geliefert: die DNS, die die Forscher darauf fanden, ist mitochondriale DNS.
Eine Zelle enthält zwei Arten von DNS – eine ist die nukleare DNS, die von unseren 23 Chromosomenpaaren stammt. Der andere Typ kommt von kleinen Organellen, den Mitochondrien. Wenn man sich eine menschliche Zelle als Jumbo Jet vorstellt, enthalten die 23 Chromosomen alle Informationen für den Bau dieses Flugzeugs. Von diesem gigantischen Konstruktionsplan hat man eine Kopie in jeder Zelle. Wir haben aber noch einen weiteren Satz von DNS in den Mitochondrien, der aber lediglich den Bauplan für den Bildschirm in der Sitzlehne enthält. Der Bauplan ist also viel kleiner, aber von diesem gibt es viel mehr Kopien. Wenn man also das Stück eines alten Knochens hat, findet man meist nicht den gesamten Bauplan darin, sondern viele der kleinen Baupläne, die man dann zu einem ganzen zusammensetzen kann.
Die mitochondriale DNS wird über viele Generationen unverändert von der Mutter auf das Kind übertragen. Die Ahnentafel von Jesus in den Evangelium listet leider nur die männlichen Vorfahren auf. Die DNS, die man aus dem Turiner Grabtuch extrahieren konnte, zeigt deshalb wahrscheinlich zum ersten mal auch die mütterliche Abstammungslinie Jesu.
Die DNS-Sequenzierung des Grabtuchs ergibt nach einem Vergleich mit ethnischen Genombibliotheken, das sie zu einem Menschen aus den Nahen Osten passen – der Region, in der Jesus gelebt hat. Es handelt sich dabei um “sehr seltenes mitochondriales Material”, wie die an der Untersuchung beteiligten Forscher in Padua sagen.
Damit entscheidet sich eigentlich auch die Frage, ob das Grabtuch aus Frankreich stammt oder gar eine europäische Fälschung ist. Nach den Ergebnissen der DNS-Sequenzierung ist dies äusserst unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. Das Fälschen der Abbildungen auf dem Grabtuch wäre schon schwierig genug gewesen, aber niemals wäre damaligen Fälschern im Traum eingefallen, das man mit dem benutzten Blut auch die Herkunft eines Menschen nachweisen könnte.
Aber es wird noch spannender: durch den Vergleich mit Gen-Datenbanken konnten die Forscher das Blut auf dem Grabtuch einer sehr seltenen ethnischen Gruppe zuordnen: zu den Drusen!
Auf der nächsten Seite: War Jesus ein Druse?
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Der hl. Josef war nicht der leibliche Vater Jesu, sondern sein gesetzlicher Vater!
Das stimmt – oder auch nicht, je nachdem, ob man der Lehre der Kirche glauben möchte, das Jesus durch eine "unbefleckte Empfängnis" gezeugt wurde. Falls das zutrifft, wäre Josef nicht Jesu leiblicher Vater, sondern lediglich sein Ziehvater – und Jesus damit sozusagen ein Kuckuckskind.
Möglich wäre auch, das Maria von einem anderen Mann schwanger wurde. In diesem Fall hätte ihr aber eine Steinigung wegen ehelicher Untreue gedroht.
Im Neuen Testament heißt es bei Johannes, Josef sei von der Bevölkerung als der Vater Jesu angesehen worden (Joh 1,45 EU: „Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs“), zudem werden Geschwister Jesu erwähnt, darunter Jakobus; dass Josef deren Vater gewesen sei, wird jedoch nicht ausdrücklich erwähnt (Mt 13,55 EU und Mk 6,3 EU). Die Evangelisten Matthäus (Mt 1,18 EU) und Lukas (Lk 1,35 EU) betonen hingegen, dass Josef lediglich der gesetzliche Vater Jesu gewesen sei, da Maria diesen nicht durch menschliche Zeugung, sondern durch die Wirkung des Heiligen Geistes empfangen habe. Dem folgt die kirchliche Lehre von der Jungfrauengeburt. Besonders im katholischen Schrifttum wird Josef oft als Nährvater (lateinisch nutritius) oder Ziehvater Jesu bezeichnet.
Manche Theologen nehmen die Aussage Jesu, das er der Sohn Gottes sei, wörtlich – andere sind der Auffassung, das er damit lediglich auf den Ursprung seiner – und unser aller – Seelen Herkunft hinweisen wollte. Ein schwieriges und ungeklärtes Thema.