Der Rubel – eine Schummelwährung
“Die Sanktionen verhindern, dass die Russen Waren auf den Weltmärkten einkaufen kann.”
Der recht hohe Kurs des Rubel täuscht vor allem unerfahrene Anleger darüber hinweg, dass diese Währung derzeit eigentlich nur noch künstlich hoch gehalten wird. Man sollte sich nicht täuschen lassen. Beim Wechselkurs des Rubels spielt der höhere Leitzins der russischen Notenbank eine entscheidende Rolle und ihre Maßnahmen zur Devisenbewirtschaftung. Energiekonzerne und andere russische Unternehmen müssen einen Großteil ihrer Auslandseinnahmen, die sie in Dollar und Euro weltweit erzielen, in Moskau zwangsweise in Rubel tauschen. Zudem gilt für Anleger ein Verkaufsverbot, sie dürfen Rubel nicht auf den Markt werfen. Dadurch entsteht eine künstliche Nachfrage nach der Landeswährung, die es so vorher nicht gegeben hat.
Der Rubel ist durch manipulative Eingriffe der Regierung nur noch eine Zombiewährung, deren Wert nichts mehr mit den Regeln der freien Marktwirtschaft zu tun hat.
Russland hat momentan aber auch noch Devisen in großen Mengen – nur nutzt dieses Geld nicht viel. Denn die westlichen Sanktionen verhindern, dass die Russen dringend benötigte Waren auf den Weltmärkten einkaufen können. Die Lieferverbote sind eine extrem scharfe Waffe und Russlands ökonomische Lage ist schon jetzt desaströs. Genaues weiß man zwar nicht, weil die russische Statistikbehörde seit Mai keinerlei belastbare Daten mehr veröffentlicht. Aber die letzten offiziellen Zahlen waren niederschmetternd. Im April 2022 wurden in Russland im Vergleich zum Vorjahr 85,4 Prozent weniger Autos hergestellt, bei Waschmaschinen waren es minus 59 Prozent, bei Fahrstühlen minus 48 Prozent und bei Kühlschränken minus 46 Prozent.
Durch die Sanktionen sind 62 Prozent aller russischen Importe nicht mehr möglich, wie die US-amerikanische Denkfabrik Carnegie errechnet hat. Diese westlichen Vorprodukte werden aber benötigt, damit die russische Industrie überhaupt produzieren kann. Vor allem die Hochtechnologie fehlt nun.
Sind die Sanktionen schuld an unseren hohen Preisen?
“Russland verliert seinen lukrativsten Markt.”
Die EU-Sanktionen spielen bei den hohen Preisen für Lebensmittel und Energie hierzulande kaum eine Rolle. Die EU führt grundsätzlich keine Sanktionen ein, die die Versorgung mit Lebensmitteln treffen könnten. Hierbei begann der Preisanstieg schon im letzten Jahr. Das hatte mehrere Ursachen, wie etwa Dürreperioden und unterbrochene Lieferketten in der Corona-Pandemie.
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Situation dann noch einmal verschlimmert, weil die Ukraine ein wichtiger Lieferant von Nahrungsmitteln ist. Ãœber mehrere Monate hat die russische Marine die Ukraine am Export gehindert. Inzwischen sind die Preise zumindest im internationalen Handel wieder gesunken und liegen unter dem Niveau vor dem Krieg.
Bei den Energiepreisen muss man differenzieren: Auch der Ölpreis ist bereits vor dem Krieg stark gestiegen, weil die Weltwirtschaft sich von der Corona-Pandemie erholt hat und die wachsende Nachfrage dann auf ein begrenztes Angebot traf. Der Ölpreis ist heute nicht höher als im Februar, vor dem Krieg. Der Anstieg der Gaspreise hat sich hingegen in den letzten Wochen deutlich verschärft und zieht auch die Strompreise mit nach oben. Die Ursache ist, dass Russland das Angebot von Gas in Europa gezielt verknappt, um dessen Marktpreis zu manipulieren.
Kann Russland sich einen Gas-Stopp leisten?
Russland liefert aktuell kein Gas mehr durch Nord Stream 1 und hat auch Lieferungen über andere Pipelines gedrosselt oder eingestellt. Der Kreml hält uns bewusst im Unklaren darüber, wie es in den nächsten Wochen weitergeht.
Aktuell leidet Russland selbst nicht darunter, dass es kaum noch Gas nach Europa verkauft. Wegen der exorbitant hohen Preise verdient Gazprom immer noch gut an den kleinen Restmengen, die es noch liefert. Selbst wenn die Lieferungen nach Deutschland komplett eingestellt würden, wäre das für Russland erst einmal verkraftbar, weil es parallel viel mit dem Ölexport verdient.
Langfristig ist es natürlich ein großes Problem, wenn Gazprom die EU und damit seinen lukrativsten Markt verliert. Aus russischer Sicht ist das aber ohnehin unvermeidbar, schließlich ist es das erklärte Ziel der EU, möglichst schnell von russischer Energie unabhängig zu werden.
Für Putin ist es nur noch die Frage, ob das Ende der Gasbeziehungen nach unseren oder nach seinen Regeln abläuft.
Über lange Sicht aber werden Russland aufgrund des europäischen Verzichts auf russisches Gas ein bedeutender Teil seiner Einkünfte wegbrechen, denn das für den europäischen Markt bestimmte Gas kann Russland wegen fehlender Pipelines nur sehr begrenzt in andere Länder exportieren, und dann eigentlich nur teuer und ineffizient über den Seeweg. Da erschlossene Gasfelder aber auch nicht einfach pausiert werden können, wird Russland gezwungen sein, einen bedeutenden Teil seiner Gasressourcen im wahrsten Sinne des Wortes an Ort und Stelle abzufackeln.
Welches Ziel verfolgt Russland bei uns?
“Russland versucht, den Zusammenhalt der Deutschen zu untergraben.”
Zum einen ist es wichtig für die russische Propaganda, dass die Energiepreise in Deutschland steigen. Im russischen Staatsfernsehen wird sehr viel über hohe Preise und Wirtschaftsprobleme in Deutschland berichtet. Das soll von den viel gravierenderen Schwierigkeiten ablenken, mit denen Russland wegen der Sanktionen zu kämpfen hat.
Zum anderen versucht Russland, den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft zu untergraben und Zwietracht zu sähen. Aus russischer Sicht ist das Drosseln der Gaslieferungen dafür ein probates Mittel, weil man überzeugt ist, dass die Deutschen vom Wohlstand verwöhnt sind und relativ schnell aufgeben werden. Der Deutsche gilt in Russland als verwöhnt, weinerlich und schwach. Zudem hofft Putin, so die verhassten (weil wirksamen!) Sanktionen loszuwerden. Zumindest aber soll die Energiekrise dafür sorgen, dass wir in Europa so sehr mit uns selbst beschäftigt sind, dass wir darüber das Schicksal der Ukraine ein stückweit vergessen.
Sind Sanktionen verantwortlich für den Gas-Stopp?
“Wenn Russland mehr liefern wollte, könnte es das jederzeit und auf vielen Wegen tun.”
Diese Behauptung ist nicht richtig. Die EU-Sanktionen enthalten explizite Ausnahmeregeln, die verhindern sollen, dass die Gasversorgung der EU beeinträchtigt wird. Wenn es dennoch zu unerwarteten Hindernissen durch die Sanktionen käme, könnten die auch kurzfristig ausgeräumt werden.
Im Fall der angeblich von Gazprom dringend für den Betrieb von Nord Stream 1 benötigten Gasturbine hat die Bundesregierung das getan. Es hat sich dabei erneut gezeigt, dass die von der russischen Seite vorgebrachten technischen Gründe nicht das eigentliche Problem, also nur vorgeschoben, sind.
Wenn Russland mehr liefern wollte, könnte es das jederzeit und auf vielen Wegen tun. Gazprom könnte zum Beispiel mehr Gas durch die Ukraine pumpen. Hier hat das Unternehmen Kapazitäten gebucht, die es sogar bezahlt, aber nicht nutzt. Die angespannte Situation auf dem europäischen Gasmarkt führt Russland also gezielt herbei.
Das begann übrigens schon im Frühjahr 2021, parallel zu dem ersten großen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze. Seitdem standen Gazproms Speicher in Deutschland leer und die Gaspreise in Europa stiegen immer weiter. Inzwischen stehen die Speicher unter der Kontrolle der Bundesnetzagentur und werden wieder gefüllt.
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