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Kann man mit Statistik lügen?

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Statistiken und Diagramme haben in letzter Zeit einen zweifelhaften Ruf bekommen. Das liegt nicht etwa daran, das man der Mathematik nicht trauen könnte – sondern eher daran, wie (und von wem) die Ergebnisse präsentiert werden.

Die deutsche Statistikerin Elisabeth Noelle-Neumann fasste das Wesen der Statistik so zusammen: „Statistik ist für mich das Informationsmittel der Mündigen“. Und das stimmt tatsächlich. Wer mit ihr umgehen kann, kann weniger leicht manipuliert werden. Der in Schwurbler- und Theoretikerkreisen beliebte Satz „Mit Statistik kann man alles beweisen“ gilt nämlich nur für die Bequemen, die keine Lust haben, genau hinzusehen.

Im Zeitalter seichter Facebook-News und One-Click-Lösungen fehlt den meisten aber mittlerweile die Kompetenz und Mündigkeit, zu Recherchieren oder Informationen gezielt zu hinterfragen. Die meisten Menschen verhalten sich heute eher wie Pornodarsteller: sie schlucken einfach alles.

Gerade aber weil das Lesen von Statistiken eine gewisse Mündigkeit und Menschenverstand voraussetzt, werden sie auch gerne von Populisten benutzt, um ihr – meist doch eher ungebildetes Publikum – an der Nase herumzuführen. Die Tricks sind dabei eigentlich immer die gleichen.

 

Die zehn häufigsten Statistik-Mogeltricks:

Trick #1: Eine Frage des Ausschnitts

Ein aktueller Anlass: der diesjährige April war in Hessen bisher der kälteste seit 1977. Für die AfD ist das auch ein Beweis dafür, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gebe. Im Landtag wurde darüber am Donnerstag debattiert.

Um diese These zu untermauern, hält der Umweltpolitische Sprecher der AfD, Klaus Gagel ein Diagramm in die Höhe, das globale Temperaturen der letzten Zeit als Diagramm zeigt:

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„Kein wirklicher Anstieg mehr – und seit einem halben Jahr sogar ein ziemlicher Rückgang der Temperatur“, kommentiert Gagel sein Diagramm. „Wir fordern, das hier auch kritische Stimmen zu Wort kommen dürfen!“ Kritisch? Gerne. Aber bitte nicht imkompetent. Denn wie inkompetent Gagel seine Meinung „beweist“ erklärt ihm kurz darauf die hessische Umweltministerin Priska Hinz von den Grünen, indem sie aufzeigt, das Gagel mit seinem Diagramm gemogelt hat:

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Tatsächlich hatte Gagel nur einen kleinen Teil der gesamten Aufzeichnungen als Diagramm gezeigt -nämlich einen, der ihm in den Kram passt und die Thesen der AfD scheinbar untermauert.

Diese Trickserei mit Diagrammen ist nicht unüblich: denn wer kommt schon auf die Idee, nach Informationen zu fragen, die NICHT auf dem Diagramm enthalten sind? Eine Grafik ist aber immer nur ein Ausschnitt und stellt nur selten die Gesamtheit der erfassten Daten dar.

Trick #2: Versteckte Variablen

In einer (fiktiven) Studie wird für verschiedene Berufe erfasst, in welchem Alter die Personen dieser Berufsgruppe im Schnitt sterben. Das Ergebnis der Studie ist überraschend. Während Programmierer, Piloten und Berufsfußballer im Schnitt mit unter 60 Jahren sterben, leben Lehrer, Schuster und Mediziner deutlich länger. Was ist die Ursache? Gefährliche Arbeitsbedingungen, zu viel Sitzen vor dem PC, zu viele Flugunfälle? Nein.

Der Grund ist, dass hier Berufsgruppen miteinander verglichen werden, die keinen direkten Vergleich erlauben. Warum? Weil eine dritte Variable (neben Beruf und Lebensalter) die Untersuchung stört: das Durchschnittsalter. Echte Berufsfußballer gibt es erst seit den 60er Jahren, Programmierer erst seit den späten 70ern und die Flugbranche ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen. Entsprechend gibt es im Schnitt nun viel mehr junge Piloten, Programmierer und Berufsfußballer als junge Lehrer, Schuster und Ärzte.

Sterben nun Fußballer, Programmierer oder Piloten jung aufgrund von Unfall oder Krankheit, so fallen diese Fälle stärker ins Gewicht als bei den anderen beiden Berufsgruppen, weil ihnen weniger Fälle in ihrer Berufsgruppe gegenüberstehen, die in hohem Alter sterben.

Trick #3: Gelogene Zahlen

Das Problem mit den versteckten Variablen kann sich auch schon mal ohne böse Absicht einschleichen – es ist dann einfach nur pure Unfähigkeit oder Schlamperei. Gezielt bösartig aber geht vor, wer Zahlen schlicht erfindet – und absichtlich sogar ganz genaue Zahlen nennt, um Glaubwürdigkeit zu suggerieren.

Im antiken Griechenland kannte man diesen Trick schon: Herodot beschrieb etwa nach dem Perserkrieg die Stärke des Feindesheers mit exakt 5.283.220 Mann. Der Historiker hat dabei hemmungslos gelogen (es waren wohl etwa 15.000), machte so aber einen informierten Eindruck und stellte den Sieg der Griechen in einem glorreichen Licht dar. Auch der englische Theologe John Lightfoot wusste um die Kraft der Präzision: „Himmel und Erde und alles was dazugehört wurden vom dreifaltigen Gott zusammen und zur gleichen Zeit erschaffen: Am Sonntag, dem 21. Oktober 4004 vor Christus, 9 Uhr morgens“. Na, wer kann da noch widersprechen?

Der Trick der „Scheingenauigkeit“ – also frei erfundene Zahlen – wird auch heute noch gerne angewandt. So simpel er auch ist (oder gerade deswegen).

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