Jedes Jahrzehnt hat seine Peinlichkeiten. Und jedes Jahrzehnt kennt zwei Arten von Menschen: diejenigen, die es gechillt aussitzen und jene, die jeden Unfug mitmachen und sich erst Jahre später dafür in Grund und Boden schämen, wenn ihre Kinder sie dafür auslachen.
Unsere Zeit ist geprägt von skurrilen modischen Experimenten und alle paar Jahre kommen neue Spielereien auf: die Stahldauerwelle, Schulterpolster, strumpfhosenenge Jeans, die aussehen, als hätte ein Hoffnarr aus dem Mittelalter sie entworfen oder solche, die dir 30 cm lange Stummelbeinchen bescheren. Hartz-IV-Zwicken im Gesicht, auf der Zunge oder an schlimmeren Stellen, an denen die Sonne nie scheint. Man kann gar nicht alles aufzählen. Wir haben mittlerweile alles durchgemacht.
Wo die Experimentierfreude aber definitiv aufhört, ist die Hygiene. Und damit ist nicht die aus der Werbung bekannte Angst vor den bösen, bösen „Vanish-Oxy-Action-Bakterien“ gemeint, sondern wirklich profunde, notwendige Hygiene -erst recht, wenn es darum geht, sich von einem anderen Menschen anfassen zu lassen oder als Keimschleuder am Arbeitsplatz zu dienen.
Im Dienste der Mitmach- und Nachäff-Mode scheinen viele Menschen ihren sowieso schon recht dürftig angelegten Sinn für Sauberkeit und Hygiene vollends in den Schrank zu sperren. Zwei skurrile Modeexperimente fallen hier besonders auf: Hartz-IV-Zwicken („Piercings“) und Vollbärte.
Schamhaare im Gesicht, Schmand, Rotz, Popel, Essensreste -manchen graut es vor gar nichts mehr.
Beide Modespielereien setzen grundlegende, tägliche Hygiene voraus. Die Popelbremse aus Metal (manche tragen sie auch auf der Zunge, um eine Sprachbehinderung vorzutäuschen) müsste eigentlich mehrmals am Tag(!) für mindestens 5-10 Minuten in eine Desinfektionslösung gelegt werden, um sämtlichen Schmand, Rotz und alle sich daran ansammelnden Essensreste zu entkeimen. Die Nase ist ein Filter für aerosole (in der Luft schwebende) Bakterien. Da ihr Zweck unter anderem das Fernhalten von Keimen aus dem Körper ist, sammeln sich hier auch entsprechend viele an. Und erst recht die feuchtwarme Mundhöhle, in die man täglich immer wieder Bakteriennahrung in Form von Zucker zuführt ist zum Bersten voll mit Keimen. Viele davon sind harmlos -andere aber so fies, das man sein Gegenüber bereits mit einem(!) Kuss anstecken kann und dieser dann dieses nette Präsent für den Rest seines Lebens mit sich herumträgt -und ebenfalls weitergibt.
Und jetzt mal Hand aufs Herz: wer von euch kennt Hartz-IV-Zwickenträger, die ihre Metallpopel mehrmals öfter am Tag zur Desinfektion ins Glas legen? Richtig. Keiner. So viel dazu.
Ihr findet das schon schlimm genug? Sorry, aber es wird noch ekelhafter: schon gewusst, das die Barthaare eines Mannes nicht die selbe Beschaffenheit wie die seiner Kopfhaare haben? Ja welche denn dann? Na ratet mal… richtig. Es sind die selben Haarfolikel, die auch im Schambereich dieser Person zu finden sind. Man kann also auch sagen, das diese Leute ihre Schamhaare im Gesicht tragen. Hmmm, lecker, oder?
Aber es kommt noch schlimmer: das Gesicht eines Menschen ist, neben den Händen, der verkeimteste Teil des Körpers -je nach Hygiene finden sich hier mehr Keime und Bakterien, als an jenen Körperteilen, die man normalerweise in die Kloschüssel hängt. Warum das? Einerseits ist das Gesicht den ganzen Tag der Umwelt ausgesetzt, zweitens trägt man in der Regel keine schützende Kleidung darüber und drittens -und dessen sind sich die meisten Menschen gar nicht bewusst- fässt man sich pro Tag (meist unbewusst) mehrere hundert mal ins Gesicht. Und das meist mit ungewaschenen Pfoten, nachdem wir öffentliche Türklinken, U-Bahn-Haltegriffe, Geldautomaten, gemeinsam benutzte Stifte im Büro, Computertastaturen und sonstige Bakterienparadiese angefasst haben.
Ein Vollbart hat die selbe Funktion wie die rauhe Seite eines Spülschwamms: Dreck aufnehmen.
Bei einem glatt rasierten Gesicht ist das schon schlimm genug, ein Vollbart dagegen ist der ideale Auffang- und Brutplatz für Keime, die sich dort sicher und ungeschützt vermehren können. Ein Vollbart (wie lernten ja bereits weiter oben, das Barthaare identisch mit Schamhaaren sind) besteht in der Regel aus Kraushaar -vergleichbar mit der rauhen Rückseite eines Spülschwamms. Hm, warum haben Spülschwämme eigentlich eine rauhe Seite? Jepp, genau. Damit sie leichter Schmutz aufnehmen können. Deshalb gilt der gemeine Spülschwam nachweislich auch als der schmutzigste Gegestand im Haushalt. Und die selbe Funktion erfüllt ein krauser Vollbart -erst recht, wenn sich darin noch die Reste des letzten Essens finden, man seine Pfoten mehrere hundert mal am Tag daran abputzt und man ordentlich darunter schwitzt -das feuchtwarme Klima begünstigt dann das Wachstum sämtlicher Keime. Mahlzeit.
Oh, apropos Mahlzeit -vielleicht nicht gesundheitsschädlich, aber nicht weniger ekelhaft ist es, wenn man noch Stunden später am Vollbart riechen kann, was es mittags zu essen gab. Oder sogar fiesen Eidotter entdeckt, der sich bereits in eine schöne, feste Kruste verwandelt hat.
Und auch hier wieder Hand aufs Herz: wer kennt einen Vollbartträger, der sich mehrmals am Tag den Bart shampooniert (und zwar gründlich, also bis unter die Borstenmatte und auf die Haut)? Richtig, niemand.
Und ob all das noch nicht schlimm genug wäre, hier noch ein Fakt: wisst ihr eigentlich, was in eurem Bart lebt? Dieses nette Tierchen hier:
Haarbalgmilben leben in den Wurzeln der Haare Hornmilben auf deiner Haut. Ein Dutzend davon hat auf einem Stecknadelkopf platz. Ihre Kiefer gleichen einem schweizer Taschenmesser. Mit winzigen Zangen, Pinzetten und Scheren fassen und zerkleinern sie ihre Nahrung.
Wahrscheinlicher ist aber, dass sie im Dunkeln auf deinem Gesicht (und beim Bartträger eben um den Mund herum) tanzen, denn dort suchen einen Partner, mit dem sie sich an Ort und Stelle paaren. Wenn der Tag kommt, krabbeln sie zum Fressen zurück in Ihre Haarwurzeln. Auf dem Kopf. In den Brauen. Im Bart. Hier legen die Milbenmütter auch ihre Eier. Nach dem Schlüpfen durchlaufen die Jungtiere mehrere Häutungen, wobei sie jedes Mal etwas größer werden. Wenn sie ausgewachsen sind, leben sie nur noch wenige Wochen. Da sie keinen After haben, sterben sie, sobald ihr Darm vollständig mit Kot gefüllt ist. Anschließend verwesen die toten Tiere interhalb ihrer eigenen Exkremente auf deinem Kopf -oder in deinem Bart. Biologisch gesehen sind wir Menschen eben auch nur Lebensraum für viele andere Wesen.
Fazit: ob Popelpremse, Hartz-IV-Zwicke oder Abraham-ich-lebe-noch-im-alten-Testament-Vollbart: alles Geschmackssache (der eine hat ihn eben, der andere nicht). Was aber NICHT Geschmacksache ist: die hohen Anforderungen an die Körperhygiene, die solche Spielereien mit sich bringen. Und immer daran denken -es geht nicht nur um euch selbst. Parasiten sind ein nettes Geschenk, das man gerne ungefragt weiter gibt.