Schicht 4: Die Umgebung
Was verhindert noch, das wir sind, wer wir wirklich sind? Selbst wenn wir unser Geschlecht, unser Alter und unser Aussehen ausblenden, sind wir noch immer nicht wir selbst. Denn eine wichtige Schicht steht noch zwischen uns und unserem wahren Ich:
Unsere Erziehung
Und damit ist nicht nur die Erziehung unserer Eltern gemeint, sondern alles, was uns von aussen geprägt und geformt hat. Das sind zum Beispiel kulturelle Werte („wie habe ich als Mann / Frau zu empfinden“), Religion, unsere Freunde, der herrschende Zeitgeist, unsere soziale Herkunft oder die Gesetze, unter denen wir leben.
Vor wenigen Jahrzehnten zum Beispiel stand Homosexualität noch unter Strafe. Wer dennoch so empfand, hatte aufgrund des grossen gesellschaftlichen Drucks gar keine andere Wahl, als schlecht über sich selbst zu denken, sich schuldig zu fühlen. Und genau solche anerzogenen Werte vermitteln uns ein falsches Bild von uns selbst. Wir sehen uns durch die Brille der Gesellschaft, in der wir leben und aufgewachsen sind. Aber was wir durch sie sehen, sind nicht wir. Es ist ein, manchmal bis zur Unkenntlichkeit verzerrtes, Bild von uns selbst.
Wir sehen uns selbst und andere durch die Brille unserer Normen.
Männern wird oft beigebracht, das es „unmännlich“ sei, tief zu empfinden oder Emotionen gar überhaupt zuzulassen. Also unterdrücken sie sie, verschliessen sich innerlich und lassen viele Teile ihres inneren Empfindes nicht zu. Als Mann etwas „süss“ und „drollig“ finden? Absolut unmännlich! Also muss es zum Beispiel ein Rottweiler sein und kein süsser Schosshund. Viele Männer empfinden nicht wirklich so. Sie glauben es nur, nach jahrzehntelanger Gehirnwäsche und Manipulation.
Oft vergleichen wir uns selbst (oder andere) auch mit unseren jeweiligen Lebensumständen. Haben wir einen Job, der „was hermacht“? Haben wir eine toll eingerichtete Wohnung? Einen teuren Wagen? Ein gut gefülltes Bankkonto? Einen attraktiven Partner? All das, was in unserer Gesellschaft als „erstrebenswert“ und „erfolgreich“ gilt?
Und genau den gleichen Fehler machen wir, ob bewusst oder unbewusst, ständig bei anderen: wir sehen sie durch die Brille unserer Normen. Damit verhindern wir, zu sehen, wer wie wirklich sind.
Viele von uns schmücken sich auch mit diesem oder jenen Freundeskreis, in der Hoffnung, das dessen soziale Rolle und Status abfärben würden und etwas über die „eigene Coolness“ aussagt. Oder wir umgeben uns mit einem kleinen willigen Hofstaat, der uns immer brav zustimmt und so unser angeschlagenes Ego mit Komplimenten schmeichelt. Oder wir umgeben uns mit „Enablern“ und „Supportern“ – Menschen, die wir nur um uns haben, weil sie uns von Nutzen sind, oder ohne die wir an ein bestimmtes Ziel nicht gelangen könnten. Dafür streicheln wir deren Ego. Soziale Prostitution.
Um uns selbst und andere also so zu sehen, wie wir wirklich sind, müssen wir alle kulturellen und gesellschaftlichen Normen beiseite lassen. Nur wer nicht durch die Brille von Religion, menschlichen Gesetzen, Umgebungskonformität, Zeitgeist und anderen Zwängen sieht, erkennt die Wahrheit.
Der Kern: Dein wahres Ich
Du hast nun also all diese Schichten abgelegt. Was bleibt nun? Du hast keinen Körper mehr (wir blenden dein Geschlecht und dein Aussehen aus). Ohne Körper hast du auch kein Alter mehr.
Nun blenden wir noch deine Umgebung aus. Du bist nicht dein teurer Wagen oder deine geschmackvoll eingerichtete Wohnung. Du bist auch nicht dein Job, für den du so lange studiert hast. Du bist nicht dein Daddy oder deine Mutter.
Dein Körper existiert nun also nicht mehr. Auch deine Umgebung nicht. Du bist jetzt nur noch ein denkender, empfindender Lichtpunkt inmitten eines unendlichen, leeren Raums. Das was nun geblieben ist – das bist du.
Vielleicht noch nicht in voller Klarheit, denn du trägst ja immer noch deine anerzogenen Überzeugungen mit dir, die dein Ich färben, wie Tinte das klare Wasser. Lege sie ab, indem du nichts, was dir durch Kopf geht, bewertest. Nimm es einfach nur zur Kenntnis. Mehr nicht.
Wenn es dir gelingt, nichts mehr zu bewerten, dann stehst du dir selbst so nahe gegenüber, wie du es noch nie vorher im Leben getan hast. Dann empfindest du reine Klarheit.
Übe das täglich. Entspanne dich dabei, empfinde es als das Abwerfen eines Gewichts. Geniesse es, all diese Schichten, die nur von deinem wahren Ich ablenken, abzustreifen. Befreie dich davon. Und je öfter du das übst, desto leichter wird es dir auch fallen, die Schichten anderer Menschen zu durchblicken.
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