Ukraine-Krieg

Kriegstagebuch Ukraine – Oktober

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TAG 240 – FREITAG, 21. OKTOBER 2022

+++ Sprengen die Russen den Kakhovka-Damm? +++

Wir haben bereits vor zwei Tagen vermutet, dass die Russen beim geplanten Rückzug vom rechten auf das linke Dniepr-Ufer den Kakhovka-Damm sprengen und dies als False-Flag-Angriff der Ukrainer tarnen könnten. Nun mehren sich die Hinweise für diese Vermutung.

Im russisch besetzten Gebiet wurden in den letzten Tagen zehntausende ukrainische Zivilisten zwangsweise evakuiert – und zwar auf russisches Gebiet, was de fakto einer Zwangsdeportation gleich kommt. Diese Deportation begründet man den betroffenen gegenüber mit einer „in Kürze bevorstehenden Offensive der Ukrainer, bei dem sie das gesamte Stadtgebiet bombardieren und fluten wollen“.

Auch Präsident Wolodymyr Zelensky sagte nun, Russland schaffe absichtlich die Voraussetzungen für eine Katastrophe großen Ausmaßes in der südukrainischen Oblast Kherson. „Wir haben Informationen, dass die Russen das Wasserkraftwerk Kakhovka vermint haben“, sagte Zelensky gestern in einer Rede vor dem Europäischen Rat. Der Staudamm von Kakhovka fasst etwa 18 Millionen Kubikmeter Wasser. Sollte er zerstört werden, würden über 80 Siedlungen, darunter auch die Regionalhauptstadt Kherson, überflutet werden, so Zelensky. Gestern erklärte auch das Institute for the Study of War (ISW), dass die russischen Streitkräfte die Voraussetzungen für einen Angriff unter falscher Flagge auf das Kraftwerk Kakhovka bei Kherson schaffen.

Im russischen Staatsfernsehen werden bereits Simulationen ausgestrahlt, die zeigen, wie sich die Sprengung des Staudamms auswirken würde:

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Russische Simulation der Ãœberschwemung


Gründe sprechen sowohl für, als auch gegen eine Sprengung des Dammes durch die Russen:

Gründe für eine Sprengung wären u.a., dass man so die Kherson-Offensive der Ukrainer definitiv stoppen würde. Im Gebiet Kherson wäre eine Ãœberquerung des Dniepr dann wohl nicht mehr möglich, das entleerte Reservoir für die nächsten Monate eine große, mehrere Kilometer breite Schlammpfütze. Zudem könnte man diese Katastrophe als False-Flag-Angriff gegenüber der eigenen Bevölkerung den Ukrainern anlasten. Für eine Sprengung würde auch die Mentalität der Russen sprechen („zerstöre, was du nicht bekommen kannst“).

Dagegen spräche, dass die Hoffnung auf Eroberung Mykolaivs und Odessas durch die Russen damit endgültig begraben wäre – wobei die Chancen darauf im Grunde jetzt schon gegen Null tendieren. Dagegen spräche aber auch, dass damit die Süßwasserversorgung der russisch besetzten Krim gefährdet wäre. Diese bezieht ihr Frischwasser aus dem Nort Chrimean Canal, der direkt vom Kakhovka-Damm abzweigt. Klar scheint auch, dass aufgrund der topographischen Gegebenheit des Geländes die größten Ãœberschwemmungen auf der linken, also russisch besetzten, Seite des Dniepr zu erwarten wären. Das zeigt auch die russische Simulation.

Tatsächlich sagte Zelensky in seiner Abendansprache: „Wenn Russland einen solchen Terroranschlag vorbereitet, wenn es ein solches Szenario ernsthaft in Erwägung zieht, dann bedeutet das, dass die Terroristen ganz klar wissen, dass sie nicht nur Kherson, sondern den gesamten Süden unseres Landes, einschließlich der Krim, nicht halten können“. Er sagte zudem, die Welt müsse Russland klar machen, dass Angriffe auf den Kakhovka-Damm „genau dasselbe bedeuten wie der Einsatz von Massenvernichtungswaffen“.

+++ Gruß aus dem Zweiten Weltkrieg +++

Nein, das folgende Bild stammt nicht aus dem Zweiten Weltkrieg. Es zeigt auch keine Re-Enactment-Spieler bei der Nachstellung berühmter Schlachten. Das sind reguläre russische Reservisten, die mit dieser erbärmlichen Ausrüstung zum fröhlichen Sterben in die Ukraine geschickt werden. Das Mosin Nagant Repetiergewehr wurde 1890 im noch zaristischen Russland entwickelt. Die Durchschlagskraft ist zwar nicht schlecht, weshalb es heute noch als Scharfschützengewehr genutzt wird, aber wer einer AK-74, einer M4 oder einem AR-15 mit einem Repetiergewehr gegenübersteht, das maximal 15 Schuss pro Minute abgeben kann (wenn man sehr geschickt ist), wird schnell begreifen, dass er einen wirklich schlechten Tag erwischt hat. Und die Reservisten auf dem Bild haben noch Glück: andere berichten, dass man ihnen in der Kaserne lediglich Paintball-Masken statt Stahlhelme ausgehändig hat.

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Wir untebrechen für eine Verkehrsdurchsage. Auf der M-05 von Kyiv nach Odessa kommt ihnen eine Mi-24 entgegen. Bitte fahren Sie auf der rechten Spur und überholen Sie nicht.

Video

TAG 238 – MITTWOCH, 19. OKTOBER 2022

In den letzten Tagen einzelne Gefechte und Artillerieduelle entlang der gesamten Frontlinie, heftigere und anhaltende Gefechte im Norden vor den Städten Svatove und Kreminna, sowie Bakhmut im Osten. Keine größeren Gebietsveränderungen entlang der Frontlinie.

+++ Evakuierungen in Kherson, Offensive erwartet +++

Im Bereich Kherson (sowie an allen anderen Frontabschnitten) rechnet man in Kürze mit einer Wiederaufnahme der ukrainischen Offensive vor dem Winter bzw. noch vor dem Einsetzen der Rasputiza.

Derzeit evakuieren Russen Zivilisten entlang des Dniepr im Gebiet Kherson. Ob diese „Evakuierungen“ unter Zwang stattfinden, ist nicht bekannt. Zudem wurde nun von russischer Seite auch begonnen, eigene Truppen aus dem Gebiet zu evakuieren. Dies legt nahe, dass sie sich aus Kherson angesichts der bevorstehenden Offensive zurückziehen. Es besteht die Gefahr, dass sie dabei aber planen, eventuell den Damm des Kakhovka-Reservoirs zu sprengen und diesen Terrorangriff als False-Flag-Angriff der Ukrainer auszugeben.

Die Sprengung des Damms hätte eine massive Katastrophe gegen die Zivilbevölkerung zur Folge, die zwar keinen wirklichen taktischen Wert hat, aber eben zur russischen Mentalität passt: zerstöre, was du nicht bekommen kannst („Mentalität eines vierjährigen“). Die Befreiung Khersons wäre für die Russen ein großer strategischer und politischer Rückschlag, da damit die Eroberung Mykolaivs und Odessas quasi unmöglich gemacht würde – eine Schmach, die sie sicherlich mit Terrorakten gegen die Zivilbevölkerung vergelten werden.

Es wird sich zeigen, wie tief der Russe moralisch inzwischen gefallen ist – die Vita des derzeitigen Obebefehlshabers der russischen Truppen, Sergej Surowikin, der sich bereits zahlreicher Kriegsverbrechen, vor allem gegen die syrische Zivilbevölkerung, schuldig gemacht hat, spricht allerdings für sich und lässt nichts Gutes ahnen.

💡 Fun Fact:
â—¾ Am 24. Februar googelten die meisten Ukrainer danach, wie man Molotov-Cocktails baut.
â—¾ Am 21. September googelten die meisten Russen danach, wie man sich am schnellsten aus dem Staub macht.

TAG 236 – MONTAG, 17. OKTOBER 2022

+++ ZUSAMMENFASSUNG DER LAGE +++

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Insgesamt in den letzten Tagen keine größeren Veränderungen entlang der Frontlinie. In fast allen Frontabschnitten, vor allem aber im Nordosten, wurden bereits frisch eingezogene Reservisten gesichtet, von denen auch schon die ersten getötet wurden. Das beweist, dass diese Reservisten keine oder so gut wie keine Ausbildung bekommen haben und quasi nach der Mobilisierung direkt an die Front geschickt wurden.

(I) Nordosten
Ukrainische Truppen stehen weiterhin vor den strategisch wichtigen Orten Kreminna und Svatove, die beide noch vehement von russischen Truppen verteidigt werden. Vor allem Svatove ist ein strategisch wichtiger Nachschubknoten, dessen Befreiung die russischen Truppen im Norden empfindlich schwächen würde. Ukrainische Truppen stehen ca. 20km westlich der Stadt, zielen von dort mit Artillerie und stoßen immer wieder mit Kommandos an und hinter die feindlichen Linien vor. Russische Truppen versuchen immer wieder, die bereits befreite Stadt Kupiansk, 50km nordwestlich von Svatove, zurück zu erobern, da ihnen diese wichtige Nachschubverbindung schmerzlich fehlt. Das allerdings bisher ohne Erfolg.

(II) Osten
In der Gegend um Bakhmut drücken Einheiten der Gruppe Wagner und der DPR seit Wochen unter hohen Verlusten gegen diesen für sie strategisch wichtigen Ort. Der Geländegewinn für die Russen beträgt hier bestenfalls einige Meter am Tag. Mittlerweile stehen die russischen Truppen hier vor den Aussenbezirken Bakhmuts.

(III) Süden
Im Süden keine großen Veränderungen, nur hin und wieder ein Abklopfen der Front bzw. Aufklärungsvorstöße von beiden Seiten. Von russischer Seite wird in letzter Zeit gemeldet, dass die Ukraine hier massiv Truppen verstärkt, weshalb eine Offensive hier noch vor dem Winter zumindest in Betracht gezogen werden kann.

(IV) Kherson
Täglich Gefechte entlang der Frontlinien, die sich aber nach dem raschen Vorrücken der Ukrainer in der ersten Oktoberwoche bisher nur minimal verschoben haben. Da in der Region Kherson bis zu 25.000 russische Soldaten nach dem Zerstören aller Brücken über den Dniepr mehr oder weniger vom Nachschub abgeschlossen sind, werden die Russen quasi von Tag zu Tag schwächer – zu viel Zeit für die nächste Offensive dürfen die Ukrainer sich allerdings nicht lassen, da täglich die Rasputiza einsetzen kann, die ein Vorankommen von Fahrzeugen jenseits befestigter Strassen erschwert oder unmöglich macht.

+++ Tägliche Terrorattacken und Kriegsverbrechen +++

In der letzten Woche tägliche Terrorattacken Russlands mit Marschflugkörpern und Drohnen auf ukrainische Zivilisten und zivile Infrastrukturen, die klar als Kriegsverbrechen eingestuft werden können.

Das folgende Video zeigt Polizisten in Kiev, die versuchen, eine iranische Shaheed-136 Drohne abzuschießen. Ob die Drohne abgeschossen wurde und deshalb explodiert, oder ob sie ihr Ziel erreicht hatte, ist nicht bekannt:

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