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Vergesst den Mars – kolonisieren wir die Venus!

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Alle fiebern der Kolonisierung des Mars entgegen, dabei ist dieser nicht gerade ein lebensfreundlicher Ort. Dagegen gibt es ganz in unserer Nähe einen Ort, der sich viel besser für eine Kolonisierung eigenen würde.

Sicher, der Mars ist gerade hip. In vielen Sci-Fi-Romanen und teilweise richtig guten Filmen wird uns eine Kolonisierung des Mars richtig schmackhaft gemacht – und dabei immer einige wichtige Tatsachen unterschlagen, die eine Besiedelung des Mars schwierig, ja fast unmöglich machen:

Warum der Mars kein schöner Ort ist

Der Mars ist z.B. völlig mit elektrostatischem und für den Menschen hochgiftigen Staub bedeckt. Durch seine statische Aufladung dürften die Raumanzüge von Mars-Astronauten auch nur schwer vom Staub zu reinigen sein. In den Luftschleusen der Kolonisten würde das CO2 hinaus gepumpt, dann strömt Atemluft ein. Dabei entstehen Wirbel, die wiederum Luftströmungen erzeugen. Sie blasen den Staub umher, und die Besatzung wird ihn unvermeidlich einatmen. Sind die Körnchen erst einmal in die Wohnmodule eingedrungen, können sie Luftfilter sowie Wasseraufbereitungsanlagen verstopfen und andere Instrumente beeinträchtigen.

Mars verursacht eine Staublunge wie bei Bergleuten in Kohlebergwerken

Auf eine weitere Gesundheitsgefahr für Marsflieger wies der medizinische Direktor der Nasa, Richard Williams, hin. Im Jahr 2008 hatte die amerikanische Landesonde „Phoenix“, die in der Nähe des Mars-Nordpols niedergegangen war, sogenannte Perchlorate entdeckt. Diese chemischen Verbindungen sind giftig und greifen die Schilddrüse an. Offenbar sind sie auf unserer Nachbarwelt weit verbreitet, denn jüngst spürte der Nasa-Rover „Curiosity“ mit Hilfe seines Bordlabors ebenfalls Perchlorate auf.

Damit nicht genug: Curiosity spürte überdies Adern eines Minerals auf, bei dem es sich vermutlich um Gips handelt. Auch das ist besorgniserregend. Zwar ist Gips für sich genommen ungiftig, doch wenn man ihn einatmet, sammelt er sich in den Lungen ähnlich an wie Kohlenstaub und verursacht entsprechend eine Staublunge wie bei Bergleuten in Kohlebergwerken. Das legt die Lungenfunktion lahm. Laut der US-Behörde für Arbeitsmedizin können Gipsteilchen Haut, Augen und Atemwege reizen. Nicht sehr angenehm.

Auf dem Mars sind wir starker Strahlung ausgesetzt.

Und: anhand von Daten der Nasa-Sonde „Mars Reconnaissance Orbiter“ (MRO) errechnete eine Arbeitsgruppe der University of Arizona, dass pro Jahr über 200 kleine Asteroiden oder Bruchstücke von Kometen auf den Roten Planeten einprasseln, die mindestens vier Meter groß sind. Die Forscher konnten in den MRO-Fotos 248 kleine Einschlagkrater identifizieren, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sein müssen. Aus deren geographischer Verteilung ermittelten sie die jährliche Einschlagsrate für die gesamte Planetenoberfläche. Der mittlere Durchmesser der Geschosse aus dem All liegt zwischen einem und zwei Meter. Da sie von der dünnen Mars-Atmosphäre kaum gebremst werden, treffen sie mit hohem Tempo und auch weitgehend intakt auf die Planetenoberfläche. Ihre Einschlagsenergie reicht aus, um bei einem Volltreffer eine Marsstation komplett zu zerstören.

Marsoberfläche

Da der Mars so gut wie keine schützende Atmosphäre hat und, anders als die Erde, über kein geologisches Magnetfeld mehr verfügt, wären wir dort starker Weltraumstrahlung ausgesetzt. Krebs und die Zerstörung des Erbgutes wären die Folge, wenn man sich nicht aufwändig davor schützt und sich beispielsweise wie ein Maulwurf in den Felsen gräbt. Ein Jahr auf dem Mars entspricht der Strahlendosis von ca. 9600 Röntgenaufnahmen! Der Boden des Mars ist also nicht nur giftig, sondern auch dauerbestrahlt und somit praktisch steril.

Die Marsatmosphäre verfügt über weniger als 1% des irdischen Atmosphärendrucks. Ohne Raumanzug würde das Blut eines Menschen dort buchstäblich anfangen zu kochen. Die Schwerkraft des Mars beträgt nur 38% der Erdschwerkraft, was rasch zu Muskel- und Knochenschwund fürt.

Was haben also alle am Mars gefressen?

Auf der nächsten Seite: Venus – der bewohnbarste Ort im Sonnensystem?

Und wie stünde es mit der Venus?

Die Venus ist mit einer durchschnittlichen Sonnenentfernung von 108 Millionen Kilometern der zweitinnerste und mit einem Durchmesser von ca. 12.100 Kilometern der drittkleinste Planet des Sonnensystems. Sie zählt zu den vier erdähnlichen Planeten, die auch terrestrische oder Gesteinsplaneten genannt werden. Nach dem Mond ist die Venus das hellste Gestirn am nächtlichen Himmel. Weil sie als einer der unteren Planeten nur am Morgen- oder Abendhimmel sichtbar ist und nie gegen Mitternacht, wird sie auch Morgenstern und Abendstern genannt. Schon mit einem kleinen Fernrohr ist sie auch am Taghimmel beobachtbar, manchmal sogar freiäugig. Doch auch bei Erdnähe (ca. alle 1½ Jahre) lassen sich nur die Wolkenstreifen der äußerst dichten Atmosphäre erkennen. Die Erkundung der Oberfläche erfordert Radar.

Okay, die Oberfläche der Venus ist so heiss, das sie ständig grauglühend ist, für das menschliche Auge wäre das aber nur während der Nacht und nur schwach wahrnehmbar. Aufgrund der sehr hohen Temperaturen gibt es auch keine Gewässer. Nahe der Oberfläche beträgt die Temperatur schlappe 465°C grad. Das ist heiß genug, um Blei zu schmelzen. Denn die Venus wird von einer dicken Atmosphäre aus Kohlendioxid bedeckt – dem Gas, das wir ausatmen. Diese Atmosphäre ist so dick, dass es uns vorkommen würde, als würden wir durch Wasser waten, wenn wir dort laufen müssten. Das Kohlendioxid fängt einen Großteil der Sonnenwärme ein und heizt die Atmosphäre auf. Ein Phänomen, das wir als „Treibhauseffekt“ nur zu gut kennen und gerade recht erfolgreich zu imitieren versuchen.

Was die Venus uns bieten könnte

Wenn wir an Planeten denken, denken wir Erdläufer automatisch immer an festen Boden.

Aber: während die Oberfläche der Venus ein (für uns) sehr ungemütlicher Ort ist, wird eine Tatsache gerne vergessen: neben unserer Erde sind die Wolken der Venus der bewohnbarste Ort im Sonnensystem! Alles, was wir dafür bräuchten, wäre eine stabile Luftmatratze.

Wenn wir an Planeten denken, denken wir Erdläufer automatisch immer an festen Boden. Und dieses Missverständnis ist wohl der Grund, warum dem Mars bisher bei weitem mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Da das CO2 in der Venusatmosphäre aber so dicht ist, das wir es wie Wasser empfinden würden, sollten wir sie uns einfach als einen Ozeanplaneten vorstellen – einem Ozean aus CO2. Und niemand käme bei einem Ozeanplaneten auf die Idee, den Meeresboden besiedeln zu müssen.

Okay, die Venus ist also von einer Atmosphäre aus CO2 umgeben, die so dicht ist, das sie die Konsistenz von Wasser hat und nach oben immer dünner wird. Damit können wir arbeiten.

Wolkenstädte

Stellen wir uns also einfach mal vor, wir hätten einen unter Druck stehenden Ballon, der mit Stickstoff und Sauerstoff gefüllt ist. Dieser würde dann ca. 50 Kilometer über der Venusoberfläche schweben. Skaliert man das ganze kühn nach oben, wären sogar schwebende Forschungsstationen oder gar Städte denkbar. Da der gesamte Lebensbereich, in dem sich Menschen aufhalten, sowieso bereits mit Stickstoff (ca. 80%) und Sauerstoff (cac. 20 %) gefüllt und somit als Auftriebskörper dienen würde, müsste der eigentliche Auftriebskörper oder Ballon dann gar nicht so gross ausfallen.

Jene Schicht in 50 Kilometer Höhe wäre für unsere Zwecke die „Oberfläche“ an die wir für eine Besiedelung der Venus denken sollten. Genau dort wären Schwerkraft und Druck fast identisch mit denen der Erde. Dort müsste noch nicht einmal ein Druckausgleich erfolgen – in dieser Höhe hätten wir den selben Druck wie bei uns auf der Erde.

Gehen wir noch ein Stückchen höher, so etwa 5 Kilometer, lägen die Temperaturen nur noch bei flauschigen 27 Grad. Dort entspräche der Druck dem des Basislagers am Mount Everest. Auch noch akzeptabel. Dies ist also eine äusserst bewohnbare Zone – bewohnbarer als der Mond, der Mars, Europa oder jedes andere Ziel, an das wir in der Regel denken!

Auf der nächsten Seite: gibt es vielleicht schon Leben auf der Venus?

Ein faszinierender Gedanke ist, das die Wolken der Venus vielleicht sogar schon Leben enthalten. Denn die dunklen Flecken in der Venusatmosphäre könnten tatsächlich von Wolken getragenen Bakterien erzeugt werden. So wie Plankton durch unsere Meere treibt könnte unbekannte Mikrobiologie durch den Himmel der Venus schwimmen.

Dunkle Flecken in der Venusatmosphäre

 

Wir wären überall gezwungen, in Containern zu leben.

Die Venus ist unglaublich reich an chemischen Stoffen, die man u.a. für die Landwirtschaft nutzen kann. Im Gegensatz zum Mars mit seiner sehr dünnen und kargen Atmosphäre enthält die Venusatmosphäre Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff. Okay, der Regen dort besteht aus Schwefelsäure, aber selbst das wäre eine wertvolle Ressource: etwas Blei dazugeben und wir haben Batterien. Auch das einfallende Sonnenlicht ist eine wertvolle Ressource. Während auf dem Mars die Energiemenge des einfallenden Sonnenlichts nur der eines bewölkten Tags auf der Erde entspricht, würden wir dort auch noch einen Grossteil dieser Energie dazu verschwenden, den Druck und die Temperatur zu regulieren. Dinge, die uns die Venus quasi kostenlos zur Verfügung stellt.

Auf welchem Planeten wir uns auch niederlassen würden: wir wären gezwungen in Containern zu leben. Auf der Venus wäre das nicht anders, als auf dem Mond oder dem Mars – aber auf der Venus würden unsere Behausungen in 50 Kilometer Höhe schweben, wie die Wolkenstadt auf dem Gasriesen Bespin in Star Wars. Aber was, wenn etwas die Hülle unserer Ballons beschädigen würde? Auf der Venus würde in diesem Fall nur ganz langsam Luft austreten – auf dem Mars dagegen wäre das eine Katastrophe, die einen sofortigen, explosiven Druckverlust im Habitat zur Folge hätte.

Die Schwerkraft der Venus entspricht 90% der Erdschwerkraft, im Gegensatz zum Mars, der nur 38% der Erdschwerkraft mitbringt. Wir würden bei einem Langzeitaufenthalt auf der Venus also keine Knochenmasse verlieren, wie auf dem Mars und müssten diesem Schwund nicht Stunden am Tag mit Muskel- und Aufbautraining entgegenwirken. In 50 Kilometern Höhe verfügt die Venus noch über genug Atmosphäre, um vor schlimmer Strahlung zu schützen, die dünne Marsatmosphäre bietet dagegen wenig bis gar keinen Schutz.

Die Venus liegt auch ein gutes Stück näher an der Erde, als der Mars. Zur Venus hätten wir alle 19 Monate ein gutes Startfenster dorthin und die Reisedauer betrüge mit heutiger Technologie lediglich fünf Monate. Der Mars hingegen bietet uns nur alle 25 Monate ein geeignetes Startfenster und die Reisedauer dorthin wäre gute drei Monate länger – sechs Monate länger, wenn man den Rückweg mit einberechnet.

Der einzige Nachteil der Venus: wir könnten dort keine Flagge in den Boden rammen, was einige Nationalisten sicher enttäuschen würde. Aber auf dem Auftriebsballon einer riesigen Zeppelinstadt wäre sicher genug Platz für eine Flagge – oder sogar Werbung.

 

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