Für die meisten Deutschen gehören Metall und Papier immer noch zum Alltag. Ohne Münzen und Scheine geht bei ihnen nichts. Doch wie lebt es sich komplett ohne Bargeld? Kann man darauf verzichten? Welche Vor- oder Nachteile nimmt man in Kauf?
Es ist soweit: dieses Jahr haben die Deutschen erstmals öfter mit Karte, als mit Bargeld bezahlt. Nun ist also auch Kartoffelland, in dem ja immer noch Bibelsprüche in einigen Hausfluren hängen, endlich irgendwo in der Gegenwart angekommen.
Ich lebe dagegen schon seit über einem Jahrzehnt komplett ohne Bargeld. Ja, richtig: seit mehr als zehn Jahren hatte ich keine Münze und keinen Geldschein mehr in der Hand. Warum? Weil einfach nichts dafür spricht. Weil es das Leben einfacher macht, mit Karte zahlen zu können. Weil es schneller geht. Weil es hygienischer ist. Und weil ich es satt hatte, ständig ein Pfund Metall in der Gegend herum zu tragen. Anfangs war das hart im Land der Kartoffelbauern. Noch heute stehen viele hier bargeldlosem Bezahlen skeptisch gegenüber, während Bargeld in anderen Ländern längst abgeschafft wurde. Aber die Zeiten haben sich Gott sei dank geändert.
Meine Gründe gegen Bargeld
Immer die Frage: wie bezahle ich, damit ich möglichst wenig Einzelgeld zurück bekomme?
Für mich persönlich gibt es vielerlei Gründe gegen Bargeld. Die Kleingeldschaufler an der Discounterkasse (ich nenne sie immer „Dagobert Duck’s“), denen ich minutenlang beim Picken von Metallmünzen zusehen darf, während mein Hund vor dem Laden in der Sommerhitze schmort, sind für mich nur ein Grund von vielen.
Ich finde das Prinzip, das man Metall- oder Papierstücke mit sich herumträgt, einfach nur antiquiert. Vom hygienischen Standpunkt aus möchte man gar nicht darüber nachdenken, in wessen Koksnase bereits dieser oder jener Gelschein steckte, wer ihn schon wo an seinem Körper getragen hat (Klassiker: in der Badehose, damit man es am Baggersee nicht verliert oder zwischen den verschwitzten Brüsten im Bikini) oder durch wie viele ungewaschene Hände ein Geldstück bereits gegangen ist (Stichwort Klogroschen).
Geld stinkt nicht, heisst es. Das stimmt – Metall ist geruchsabweisend. Man riecht also nicht, ob jemand sein Metallgeld den ganzen Tag lang in der nassen Arschritze mit sich herum getragen hat.
Besonders ekelig fand ich es immer, Brötchen beim Bäcker zu kaufen. Schlimm genug, das in Deutschland viele Verkäuferinnen noch immer keine Handschuhe tragen – es macht es auch nicht besser, wenn ICH vor dem Kauf meines Brötchens meine Finger erst einmal an schmutzigem Metall reibe, das schon durch tausende Hände gegangen ist. Guten Appetit.
Aber auch die Tatsache, das Bargeld nicht direkt mit einem Besitzer verknüpft ist, macht dessen Besitz durchaus gefährlich: wer mir das Geld aus der Hand nimmt, dem gehört es. Wenn ich es verliere, gehört es dem glücklichen Finder. Bargeld ist blind und dumm.
Wer größere Beträge am Automaten abhebt, sollte sich vorher erst einmal genau umgucken: es passiert immer wieder, das gerade an Geldautomaten zwielichtiges Gesindel darauf wartet, das dort jemand einen größeren Betrag abhebt. Leichter kommt man kaum an Geld. Entweder schnappt man schnell zu, oder einer der Diebe lenkt den Kunden kurz ab, frägt beispielsweise nach dem Weg, während der andere sich unbemerkt das Geld schnappt. Neulich wieder im Frankfurter Raum passiert – die beiden Diebe waren noch nicht einmal fünfzehn Jahre alt.
Apropos Geldautomat: wusstest du, das der Betrieb und die Wartung eines einzigen Geldautomaten die jeweilige Bank über 10.000 EUR im Jahr kostet? Das Handling, die Verwaltung und das hin- und her schicken von Bargeld ist deutlich teurer, als der bargeldlose Zahlungsverkehr. Und diese Kosten werden letztendlich wieder auf den Verbraucher umgelegt. Wir zahlen also alle mehr, als wir müssten – nur weil viele noch mit Papier und Metall bezahlen möchten.
Bargeld kann man verlieren. Wer einmal einen grösseren Schein verloren hat, weil er diesen einfach nur in die Hosentasche geschoben hat, wird sich lange darüber geärgert haben. Oder man verliert gleich den ganzen Geldbeutel und mit den schwer wieder zu beschaffenden Dokumenten ist damit auch gleich noch das ganze Barvermögen futsch.
Und dann gibt es noch das Problem der stetig wachsenden Menge an Centstücken. Bei Preisen wie 3.99 EUR bleibt es nicht aus, das sich im Laufe der Zeit unweigerlich eine halbe Tonne Kleinmetall im Geldbeutel ansammelt – die du dann nur wieder los wird, indem du sie an irgendeiner Kasse lässt und sie dort mühsam Cent für Cent abzählst, während die Leute in der Schlange hinter dir leise fluchen und dich mit tödlichen Blicken beschiessen.
Besonders viel Spaß an dieser Geldzählerei scheinen sehbehinderte Rentner zu haben. Dabei würden gerade diese durch das Bezahlen mit Karte am meisten Profitieren – und sicher nie wieder Geldstücke oder Geldscheine versehentlich verwechseln. Aber Menschen handeln eben nicht immer logisch oder nach Vernunft, sondern nach Gewohnheit.
Gerade kleine Beträge zahle ich übrigens gerne mit Karte. Logisch – denn wer nur ein Brötchen für 19 Cent kauft, möchte deshalb keinen 10 EUR Schein anreißen – oder hoffen, das er genau diesen Betrag in Metall gerade in seiner Tasche mit sich herum trägt. Bei jedem, wirklich JEDEM Kauf mit Metall- oder Papiergeld stellt sich eigentlich immer die Frage: wie bezahle ich, damit ich möglichst wenig Einzelgeld zurück bekomme? Wie nervig das ist. Was für ein Wahnsinn, an der wir uns da gewöhnt hatten.
Als Bargeld-Feti ist man aber auch noch von einem weiteren Problem betroffen, das nur Bargeld betrifft: Falschgeld. Dieses ist weiter verbreitet, als man glaubt und nicht wenige haben schon einmal mit Falschgeld an einer Kasse bezahlt, ohne es überhaupt zu wissen. Das gefährliche daran: schon das Bezahlen mit Falschgeld ist ein ernstes Vergehen, völlig egal, ob man davon wusste, oder nicht. Was dann also passiert, wenn man versehentlich mit einem falschen Fünfziger an einer Kasse bezahlt, kann man sich ausmalen. Die Polizei muß in diesem Fall hinzugerufen werden und nimmt das auch sehr, sehr ernst!
Willkommen in der Zukunft
Vor allem durch den starken Online-Boom hat sich das gewandelt.
Unter anderem aus diesen Gründen entschloss ich mich vor Jahren, nur noch mit Karte zu bezahlen. Vor einem Jahrzehnt war das noch ein gewagter Entschluss: in dem meisten Läden und Supermärkten war das Bezahlen mit Karte erst ab 10 EUR möglich. Später ging es dann irgendwann ab 5 EUR. Mittlerweile kann man sogar Cent-Artikel in jedem grösseren Geschäft mit Karte zahlen. Nur der Dorfbäcker hat die Zeichen der Zeit noch immer nicht verstanden und muss deshalb auf mein Geld verzichten. Dann hole ich meine Brötchen eben im Discounter.
Aber es passiert immer noch – vor allem in Dorfläden, Post-Filialen und Tante-Emma-Schuppen – das man dumm angeguckt wird, wenn man einen kleinen Betrag mit Karte zahlen möchte. Hier stecken anscheinend immer noch die 80er Jahre in den Köpfen der Deutschen. Damals, im Jahrzehnt der Fönlocken und der ungehemmten Ganzkörperbehaarung, kassierten die Banken und Kreditkarteninstitute kräftige Gebühren auf jeden Kauf mit Karte – der Hauptgrund, warum sich es sich hierzulande erst zehn bis fünfzehn Jahre später durchsetzen konnte, als in anderen Ländern der Welt.
Vor allem durch den starken Online-Boom hat sich das gewandelt. Selbst für Deutsche (und das will etwas heißen, denn Deutsche ändern ihr lieb gewonnenes Verhalten oft nur, wenn es gar! nicht! mehr! anders! geht) wurde das bargeldlose Bezahlen immer selbstverständlicher. Online zahlt man via Paypal und ist damit in der Regel auf der sicheren Seite. Das Senden von Beträgen dauert so nur eine Sekunde, der Kauf kann sofort abgewickelt, die Ware sofort versendet werden. Niemand wartet heute mehr einige Tage, bis eine Banküberweisung endlich beim Empfänger ist.
Alles in allem ist das Leben dadurch viel einfacher geworden, allen Bargeld-Fetischisten zum Trotz. Ich trage seit Jahren keinen Pfundschweren Geldbeutel mehr mit mir herum – die EC-Karte genügt. Vor einigen Jahren musste mir hin und wieder noch ein Freund mit Bargeld aushelfen, wenn wir mal essen waren, aber mittlerweile ist auch das Geschichte.
Schon seit vielen Jahrzehnten gibt es keine Lohntüte mehr, in der den Arbeitern ihr Lohn bar ausgehändigt wird. Nein, dein Arbeitgeber überweist dir dein Gehalt auf dein Konto. Dort liegt das Geld nur in elektronischer Form vor. Warum also sollte man nun hingehen, dieses Geld in Papier und Metall umwandeln, es mit sich herum schleppen, nur damit es nach dem nächsten Kauf dann eh wieder in elektronischer Form auf einem anderen Konto liegt?
Das ist relativ sinnfrei.
Auf der nächsten Seite: Treuepunkte – wie man ganz einfach auch an die Daten von Bargeldzahlern kommt.
Die Argumente der Papierfans
Wer wirklich anonym bleiben möchte, sollte lieber auf Google verzichten.
Von Bargeld-Befürwortern hört man in der Regel immer wieder die gleichen Argumente: beim Bezahlen mit Karte würde man mehr Geld ausgeben. Quatsch. Ich konnte dieses Argument noch nie nachvollziehen und frage mich, wer zuerst auf diesen Unsinn kam. Vielleicht ein Idiot, der EC-Karten mit Kreditkarten verwechselt hatte? Niemand kauft mehr, weil er mit Karte zahlt, statt mit Bargeld. Und falls doch, sollte man diesen Menschen entmündigen, denn er kann offenbar generell nicht mit Geld umgehen. Daran ändert dann auch die Form des Geldes nichts.
Bargeld sei sicherer, hört man auch oft. Das wird natürlich jeder, der schon einmal Bekanntschaft mit Taschendieben machen musste oder wegen seines Bargelds niedergeschlagen oder gar ausgeraubt wurde, anders sehen.
Das Geld auf meiner Karte ist mit einer Geheimnummer geschützt. Mein Baking Account mit einem zusätzlichen Passwort und mein Konto mit einem täglichen Auszahlungslimit. Alles in allem schon ein deutlich besserer Schutz, als das Geld in meinem Geldbeutel geniesst (wenn ich noch einen hätte). Denn wer dort hineingreift, hat das Geld auch schon. So einfach ist das. Ein Geldbeutel hat keine Firewall.
Natürlich ist kein Schutz perfekt, wenn es um den Faktor Mensch geht: 95% jener, die sich öffentlich in den Medien darüber ausheulen, das ihr Konto leer geräumt wurde, verschweigen gerne, das es die eigene Dummheit war, die dafür sorgte, das kriminelle an deren Daten – und damit ihr Geld – kamen. Aber das zuzugeben, wäre ja peinlich. Lieber macht man da die „moderne Technik“ verantwortlich, als zuzugeben, das man völlig naiv auf eine gefakte Email geantwortet hat, obwohl seit Jahren gepredigt wird, welche Regeln man beim bargeldlosen Bezahlen doch bitte einhalten sollte.
Andere behaupten gerne, das wir immer gläserner werden, wenn wir bargeldlos bezahlen – loggen sich aber täglich in ihren Facebook Account ein, posten dort jede Menge privater Details, erteilen jeder App auf ihrem Handy die Erlaubnis, Mikrofon und Kamera benutzen zu dürfen und kaufen sich (mit Bargeld natürlich) einen „smarten Fernseher“, der nicht nur eine eingebaute Kamera hat, sondern die Aufnahmen auch noch direkt an den chinesischen Hersteller schickt, während Alexa jedes Wort mithört, das in der Wohnung gesprochen wird.
Das ist schizophren. Und noch absurder ist es, wenn Bargeld-Fans zwar auf „Privatsphäre“ schwören, aber eine Treuepunkte- (bzw. Payback-) Karte beim Kauf benutzen. Beim Bezahlen mit EC-Karte lässt sich lediglich nachvollziehen, wo man eingekauft hat, sowie der Gesamtwert des Einkaufs. Beides unterliegt dem Bankgeheimnis. Beim Benutzen einer Treuepunkte-Karte jedoch gibt man weitaus mehr Daten preis: Name, Alter und Geburtsdatum, Anschrift und Wohnort, Preis, Waren / Dienstleistungen, Rabatthöhe und noch viel mehr. Und diese Daten unterliegen nicht dem Bankgeheimnis, sondern gehen direkt an die jeweilige Supermarkt-Kette. Der Kunde hat dem ja beim Beantragen der Payback Karte ausdrücklick zugestimmt. Bezahlen lässt sich der ahnungslose Kunde das mit – im Vergleich zu dem, was der Konzern an diesen Daten verdient – geradezu lächerlich geringen Rabatten.
Wer wirklich anonym bleiben möchte, sollte lieber auf Google verzichten (denn Google weiß mehr über deine sexuellen Vorlieben, Krankheiten und Essgewohnheiten als deine eigene Ehefrau) und seinen Computer und Smartphone aus dem Fenster werfen. Die Datensammelwut von Konzernen wie Apple, Google und Facebook macht mir persönlich hundertmal mehr Sorgen, als das bargeldlose Zahlen im Supermarkt.
☝ WICHTIG!
Wie bei allen Bezahlmethoden sollte man auch beim bargeldlosen Zahlen einige Dinge beachten – denn die perfekte Sicherheit gibt es leider nicht.
Manche Zahlungs-Apps für Smartphones bieten an, dich über Transaktionen zu benachrichtigen, beispielsweise per SMS. Wenn deine App das anbietet, schalte es ein.
Die NFC-Funktion (kontaktloses Bezahlen mit Karte ohne PIN-Eingabe) gilt momentan als unsicher, da sie von vielen Banken nicht sicher genug implementiert wird. Lass diese Funktion deiner Karte am besten durch deine Bank sperren und bezahle nur durch Einschieben der Karte in ein Lesegerät mit zusätzlicher PIN-Eingabe.
Verwende für NFC-Karten (erkennbar am „WLAN“-Symbol neben dem Chip) eine Schutzhülle. Diese werden von manchen Kreditinstituten auf Nachfrage kostenlos ausgegeben. Damit kann der Chip deiner Karte nicht aus der Distanz ausgelesen werden.
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Na, virtuelles Geld ist auch schnell mal weg. Egal ob Kryptobörse oder Onlinebanking, egal ob Apple Pay oder ähnliches :einmal im Monat lese ich Berichte über abgezogene Teilnehmer von Onlinbanking und Co.
Dann doch lieber regelmäßig die Hände waschen und weiterhin anonym zahlen.
Ansonsten haste ne prima Webseite. Weiter so.
Du vergisst hier aber ein wichtiges Detail: JEDES MAL, wenn wieder eine Hilde oder ein Karl-MINUS-Heinz bei RTL darüber heulen, dass ihnen ihr Geld via online Banking oder durch dubiose Web Shops gestohlen wurde, stellt sich heraus, dass sie SELBST SCHULD waren. Jedes. Einzelne. Mal. Achte mal darauf. Wer also zu wenig gesunden Menschenverstand hat, um nicht auf dubiose Phishing-Emails hereinzufallen, seine Online-Banking TANs weitergibt oder Waren im Internet bei völlig unbekannten Shops per Vorkasse kauft (der Klassiker) braucht sich später nicht vor eine Kamera stellen und herumheulen – denn damit macht er sich selbst lächerlich. Ich persönlich habe in meinem Leben mehr BARGELD verloren, als "virtuelles Geld" nach 20 Jahren Online-Banking und Einkaufen im Internet.